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Barcelona 01 - Der Schatten des Windes

Barcelona 01 - Der Schatten des Windes

Titel: Barcelona 01 - Der Schatten des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafon
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die ihnen das Leben ausgeteilt, oder die Art und Weise, wie sie sie ausgespielt hatten.
»Ich habe mich nie bei dir bedankt für alles, was du in diesen Jahren für mich getan hast, Miquel.«
»Das brauchst du nicht jetzt zu tun. Ich habe getan, was ich mußte und wollte. Da gibt es nichts zu danken.«
»Wie geht es Nuria?«
»So, wie du sie verlassen hast.«
Carax senkte die Augen.
»Wir haben vor Monaten geheiratet. Ich weiß nicht, ob sie dir geschrieben und das erzählt hat.«
Carax’ Lippen gefroren, und er schüttelte langsam den Kopf.
»Du hast kein Recht, ihr etwas vorzuwerfen, Julián.«
»Ich weiß. Ich habe auf nichts ein Recht.«
»Warum bist du nicht zu uns gekommen?«
»Ich wollte euch nicht in Gefahr bringen.«
»Das liegt nicht mehr in deiner Hand. Wo bist du diese ganzen Tage gewesen? Du warst ja wie vom Erdboden verschwunden.«
»Beinahe. Ich war zu Hause. Zu Hause bei meinem Vater.«
Miquel schaute ihn erstaunt an. Julián begann zu erzählen, wie er nach seiner Ankunft in Barcelona, da er nicht wußte, wohin, zu dem Haus seiner Kindheit gegangen war, in der Befürchtung, es sei niemand mehr dort. Doch den Hutladen gab es noch, er war sogar geöffnet, und ein alter Mann welkte hinter dem Ladentisch dahin. Julián hatte nicht hineingehen wollen, doch Antoni Fortuny hatte bereits zu dem Fremden vor dem Schaufenster aufgeschaut, und ihre Augen hatten sich getroffen. Julián blieb wie angewurzelt stehen. Er sah Tränen auf dem Gesicht des Hutmachers, als er stumm auf die Straße hinaustrat. Fortuny führte seinen Sohn in den Laden, ließ die Gitter hinunter, und als die Außenwelt ausgesperrt war, umarmte er ihn zitternd.
Später erklärte ihm der Hutmacher, gerade vor zwei Tagen habe sich die Polizei nach ihm erkundigt. Ein gewisser Fumero, ein übelbeleumdeter Mann, von dem es hieß, er wechsle die politische Seite wie das Hemd, habe ihm mitgeteilt, Carax sei auf dem Weg nach Barcelona, er habe in Paris kaltblütig Jorge Aldaya ermordet und werde auch wegen vieler weiterer Delikte gesucht, deren Aufzählung sich Fortuny gar nicht anhören mochte. Fumero baue darauf, daß der Hutmacher, sollte es der unwahrscheinliche Zufall wollen, daß der verlorene Sohn hier auftauche, seine Bürgerpflicht zu erfüllen beliebe und Bericht erstatte. Fortuny sagte, natürlich sei auf ihn Verlaß. Es ärgerte ihn, daß eine Viper wie Fumero seine Niedertracht für ausgemacht hielt, aber sowie das unselige Polizeigefolge aus dem Laden verschwunden war, brach er zu der Kapelle in der Kathedrale auf, wo er einst Sophie kennengelernt hatte, um Gott darum zu bitten, die Schritte seines Sohnes zurück nach Hause zu lenken, bevor es zu spät wäre. Der Hutmacher warnte ihn vor der Gefahr, die sich über ihm zusammenbraute.
»Was dich auch immer nach Barcelona geführt haben mag, mein Sohn, laß es mich an deiner Stelle tun, während du dich zu Hause versteckst. Dein Zimmer ist noch genau so, wie du es verlassen hast, und es gehört dir, solange du es brauchst.«
Julián sagte, er sei zurückgekommen, um Penélope Aldaya zu suchen. Der Hutmacher schwor, sie zu finden und ihnen, wären sie erst einmal wiedervereint, zur Flucht an einen sicheren Ort zu verhelfen, fern von Fumero und der Vergangenheit, fern von allem.
Tagelang hielt sich Julián in der Wohnung in der Ronda de San Antonio verborgen, während der Hutmacher die Stadt nach Penélopes Spur abklopfte. Er verbrachte die ganze Zeit in seinem ehemaligen Zimmer, das getreu der väterlichen Zusicherung immer noch gleich war, obwohl jetzt alles kleiner erschien, als würden Häuser und Gegenstände – oder vielleicht auch nur das Leben – mit der Zeit schrumpfen. Viele seiner alten Hefte waren noch da, Bleistifte, die er, wie er sich erinnerte, in der Woche seiner Abreise nach Paris gespitzt hatte, Bücher, die darauf warteten, gelesen zu werden, saubere Jungenkleidung im Schrank. Der Hutmacher erzählte ihm, Sophie habe ihn kurz nach seiner Flucht verlassen, und nachdem er jahrelang nichts von ihr gehört habe, habe sie ihm schließlich aus Bogotá geschrieben, wo sie seit geraumer Zeit mit einem Mann zusammenlebte. Sie schrieben sich regelmäßig, »immer über dich«, wie er ihm gestand, »denn das ist das einzige, was uns verbindet«. Julián war es, als habe der Hutmacher den Verlust seiner Frau abgewartet, um sich in sie zu verlieben.
»Man liebt nur einmal im Leben wirklich, Julián, obwohl man es nicht merkt.«
Der Hutmacher schien am Ende seines Lebens

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