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Barcelona 01 - Der Schatten des Windes

Barcelona 01 - Der Schatten des Windes

Titel: Barcelona 01 - Der Schatten des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafon
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ihm eine Nelke fürs Knopfloch verkaufen, da hat er mich zum Teufel geschickt und gesagt, es sei Krieg und ich solle ihm nicht auf den Wecker fallen.«
Sonst hatte er niemanden gesehen. Miquel kaufte ihm ein paar schlaffe Rosen ab und gab ihm für alle Fälle die Telefonnummer der Redaktion des Diario de Barcelona, damit er dort eine Nachricht für ihn hinterlasse, wenn zufällig jemand auftauche, der Julián Carax sein könnte. Als nächstes gingen wir zur San-Gabriel-Schule, wo Miquel seinen ehemaligen Schulkameraden Fernando Ramos wiedertraf.
Fernando war mittlerweile Latein- und Griechischlehrer und trug das Ordensgewand. Als er Miquel in so prekärem Gesundheitszustand erblickte, erschrak er. Er sagte, Julián habe ihn nicht aufgesucht, versprach uns aber, sich mit uns in Verbindung zu setzen, falls er es tue. Fumero sei schon vor uns dagewesen, sagte er. Er nenne sich jetzt Inspektor Fumero und habe drohend zu ihm gesagt, er sehe sich besser vor, es sei Kriegszeit und viele Leute würden bald sterben. Er solle nicht glauben, Uniformen, ob die von Geistlichen oder Soldaten, könnten Kugeln aufhalten. Fernando sagte, es sei nicht klar, welchem Korps oder was für einer Gruppe Fumero angehöre, und ihn danach zu fragen habe er schon gar nicht den Mut gehabt.
Ich kann dir diese ersten Tage des Krieges in Barcelona unmöglich beschreiben, Daniel. Die Luft war wie vergiftet vor Angst und Haß. Die Blicke waren mißtrauisch, und die Stille auf den Straßen schlug einem auf den Magen. Mit jedem Tag und jeder Stunde gab es neue Gerüchte, neues Gerede. Ich erinnere mich, wie wir eines Abends auf dem Heimweg die Ramblas hinuntergingen. Sie waren wie ausgestorben, kein Mensch weit und breit. Miquel schaute an den Fassaden hoch, sah die zwischen den Fensterflügeln verborgenen Gesichter, die die Schatten auf der Straße absuchten, und sagte, man könne förmlich spüren, wie hinter den Mauern die Messer gewetzt würden.
Am nächsten Tag gingen wir zur Hutmacherei Fortuny, ohne große Hoffnung, Julián dort zu finden. Ein Hausbewohner sagte uns, der Hutmacher habe sich, erschreckt über die Auseinandersetzungen der vergangenen Tage, in seinem Laden eingeschlossen. Wir konnten klopfen, soviel wir wollten, er mochte uns nicht öffnen. An diesem Nachmittag war es eine Hausecke weiter zu einer Schießerei gekommen, und die Blutlachen auf der Ronda de San Antonio waren noch frisch; auf dem Pflaster lag ein totes Pferd, dem die Köter den durchlöcherten Bauch aufzureißen begannen, während einige Kinder in der Nähe zuschauten und sie mit Steinen bewarfen. Alles, was wir zu sehen bekamen, war Fortunys entsetztes Gesicht durch einen Türspalt. Wir sagten, wir suchten seinen Sohn Julián. Er antwortete, sein Sohn sei tot und wir sollten verschwinden oder er hole die Polizei. Entmutigt gingen wir wieder.
Tagelang klapperten wir Cafés und Läden ab und fragten nach Julián. Wir forschten in Hotels und Pensionen, auf Bahnhöfen und in Banken nach, wo er hätte Geld wechseln können – niemand erinnerte sich an einen Mann, dessen Beschreibung auf Julián gepaßt hätte. Wir fürchteten, er könne Fumero in die Hände geraten sein, und Miquel brachte einen seiner Kollegen von der Zeitung, der auf dem Polizeipräsidium Gewährsleute hatte, dazu, nachzuforschen, ob Julián ins Gefängnis eingeliefert worden war. Dafür gab es jedoch keinen Hinweis. Mehrere Wochen waren vergangen, und er schien wie vom Erdboden verschluckt.
Miquel schlief kaum noch, sondern wartete nur auf Nachrichten von seinem Freund. Eines Abends kam er bei Einbruch der Dunkelheit von seinem Spaziergang doch tatsächlich mit einer Flasche Portwein zurück. Man habe sie ihm auf der Zeitungsredaktion geschenkt, sagte er, denn der stellvertretende Chefredakteur habe ihm mitgeteilt, sie könnten seine Kolumne nicht mehr abdrucken.
»Sie wollen keine Schwierigkeiten, und ich verstehe sie.«
»Und was wirst du jetzt tun?«
»Mich besaufen, zunächst einmal.«
Er trank kaum ein halbes Glas, aber ich becherte beinahe die Flasche leer, auf nüchternen Magen und ohne es zu merken. Kurz vor Mitternacht befiel mich eine unglaubliche Müdigkeit, und ich sank auf dem Sofa in Schlaf. Ich träumte, Miquel küsse mich auf die Stirn und decke mich mit einer Stola zu. Beim Erwachen hatte ich schreckliche Kopfschmerzen, Vorspiel zu einem grauenhaften Kater. Ich suchte Miquel, um die Stunde zu verfluchen, in der es ihm eingefallen war, eine Flasche mitzubringen, sah aber, daß ich

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