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Barcelona 01 - Der Schatten des Windes

Barcelona 01 - Der Schatten des Windes

Titel: Barcelona 01 - Der Schatten des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafon
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und Juliáns Verfolgung wiederaufnehmen. Manchmal überzeugte ich mich vom Gegenteil und sagte mir, bestimmt halte er ihn für tot oder habe ihn vergessen. Er war nicht mehr der Auftragsmörder von ehedem. Jetzt war er eine öffentliche Persönlichkeit, ein Mann, der im Regime Karriere machte, der sich die Verfolgung eines Gespenstes nicht mehr leisten konnte. Andere Male erwachte ich mitten in der Nacht, schweißgebadet und mit laut pochendem Herzen, und glaubte die Polizei an die Tür hämmern zu hören. Ich fürchtete, einer der Nachbarn könnte diesen kranken Ehemann, der nie aus dem Haus ging, der manchmal weinte oder wie ein Wahnsinniger an die Wände schlug, verdächtig finden und uns bei der Polizei anzeigen. Ich fürchtete, Julián würde wieder verschwinden, um hinter seinen Büchern herzujagen und sie zu verbrennen, das wenige zu verbrennen, was von ihm noch übrig war, und endgültig jeden Hinweis beseitigen, daß es ihn je gegeben hatte. Bei dieser ganzen Furcht vergaß ich, daß ich älter wurde, daß das Leben an mir vorüberzog, daß ich meine Jugend geopfert hatte, um einen geisterhaften Mann zu lieben.
Doch die Jahre gingen in Frieden vorüber. Die Zeit verfliegt desto schneller, je leerer sie ist. Ein bedeutungsloses Leben saust vorbei wie ein Zug, der am eigenen Bahnhof nicht hält. Inzwischen verheilten zwangsläufig die Narben des Krieges. In zwei Verlagen fand ich Arbeit. Den größten Teil des Tages verbrachte ich außer Haus. Ich hatte namenlose Geliebte, verzweifelte Gesichter, die ich im Kino oder in der U-Bahn fand und mit denen ich meine Einsamkeit teilte. Dann nagten absurderweise Schuldgefühle an mir, und wenn ich Julián sah, war ich den Tränen nahe und schwor mir, ihn nie wieder zu verraten, als wäre ich ihm etwas schuldig gewesen. Im Bus oder auf der Straße ertappte ich mich dabei, wie ich jüngere Frauen mit Kindern an der Hand anschaute. Sie sahen glücklich oder friedlich aus, als füllten diese kleinen Geschöpfe in ihrer Unzulänglichkeit jedes Vakuum aus und ließen keine Frage offen. In solchen Momenten erinnerte ich mich an Tage, an denen ich mir ausgemalt hatte, ebenfalls eine dieser Frauen zu sein, mit einem Kind in den Armen, einem Kind von Julián. Dann kam mir der Krieg in den Sinn – und daß die, die ihn führten, ebenfalls Kinder gewesen waren.
Als ich schon beinahe glaubte, die Welt habe uns vergessen, erschien eines Tages ein junger Mensch bei uns, noch fast bartlos, ein Lehrling, der bei jedem Blick in meine Augen errötete. Er fragte nach Señor Miquel Moliner, um angeblich ein Archiv des Journalistenverbandes routinemäßig zu aktualisieren. Er sagte, vielleicht könnte Señor Moliner eine monatliche Pension empfangen, aber um das in die Wege zu leiten, müsse eine Reihe von Daten auf den neusten Stand gebracht werden. Ich sagte ihm, Señor Moliner wohne seit Kriegsbeginn nicht mehr hier, er sei ins Ausland gezogen. Er antwortete, das tue ihm sehr leid, und machte sich mit seinem öligen Denunziantenlächeln davon. Mir war klar, daß ich Julián unbedingt noch am selben Abend verschwinden lassen mußte. Zu dieser Zeit war fast nichts mehr von ihm übriggeblieben. Er war gefügig wie ein kleines Kind, und sein ganzes Leben schien von den paar Abenden abzuhängen, wo wir zusammen eine Weile Rundfunkmusik hörten, während er meine Hand ergriff und wortlos streichelte.
Am selben Abend nahm ich die Schlüssel zur Wohnung in der Ronda de San Antonio, die der Hausverwalter dem nicht existierenden Anwalt Requejo geschickt hatte, und begleitete Julián zum Ort seiner Kindheit zurück. Ich brachte ihn in seinem Zimmer unter und versprach, am nächsten Tag zurückzukommen, wir müßten sehr vorsichtig sein.
»Fumero ist wieder auf der Suche nach dir«, sagte ich.
Er nickte unbestimmt, als erinnerte er sich nicht mehr oder als wäre ihm egal, wer Fumero war. So vergingen mehrere Wochen. Jeden Tag suchte ich nach Mitternacht die Wohnung auf. Ich fragte Julián, was er tagsüber getan habe, und er schaute mich verständnislos an. Wir verbrachten die Nacht gemeinsam, eng umschlungen, und am frühen Morgen ging ich wieder mit dem Versprechen, so bald wie möglich zurückzukommen. Immer schloß ich dabei die Wohnung ab. Julián hatte keinen Zweitschlüssel. Ich hatte ihn lieber als Gefangenen denn als Toten.
Nie wieder kam jemand vorbei, um sich nach meinem Mann zu erkundigen, aber ich streute im Viertel aus, er befinde sich in Frankreich. In zwei Briefen schrieb ich der

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