Barcelona 02 - Das Spiel des Engels
Mitteilung des Chefredakteurs vorfinden mit der Bitte, wieder in die Redaktion einzutreten. In einem der Lesesäle zog ich die Karte hervor, die ich nach dem Erwachen in der ›Träumerei‹ in den Händen gehalten hatte, und begann diesem anonymen Wohltäter, Andreas Corelli, einen Brief zu schreiben, den ich am Ende immer wieder zerriss und tags darauf von neuem begann. Am siebten Tag, des Selbstmitleids überdrüssig, beschloss ich, mich auf die unvermeidliche Wallfahrt zu meinem Schöpfer zu machen.
In der Calle Pelayo bestieg ich die Bahn nach Sarrià. Damals verkehrte sie noch oberirdisch, und ich setzte mich vorn in den Wagen, um die Stadt und die Straßen zu betrachten, die umso breiter und herrschaftlicher wurden, je weiter wir uns vom Zentrum entfernten. An der Haltestelle Sarrià stieg ich aus und nahm eine Straßenbahn, die mich zum Kloster Pedralbes brachte. Es war ein für die Jahreszeit ungewöhnlich warmer Tag, und die Brise trug den Duft der die Hügelflanken sprenkelnden Pinien und Ginsterbüsche mit sich. Ich peilte die Avenida Pearson an, an der mehr und mehr gebaut wurde, und erblickte bald die unverwechselbaren Umrisse der Villa Helius. Als ich hinanstieg, sah ich Vidal in Hemdsärmeln im Fenster seines Turms sitzen und eine Zigarette schmauchen. Musik hing in der Luft, und ich erinnerte mich, dass er einer der wenigen Privilegierten war, die einen Rundfunkempfänger besaßen. Wie schön das Leben von dort oben anzusehen sein musste und wie klein ich selbst wohl erschien.
Ich winkte ihm zu, und er grüßte zurück. Als ich bei der Villa ankam, traf ich den Fahrer, Manuel, der eben mit einigen Lappen und einem Eimer dampfenden Wassers zu den Garagen unterwegs war.
»Was für eine Freude, Sie hier zu sehen, David«, sagte er. »Wie geht es Ihnen? Immer noch so erfolgreich?«
»Man tut, was man kann«, antwortete ich.
»Seien Sie nicht so bescheiden, sogar meine Tochter liest die Abenteuer, die Sie in der Zeitung drucken lassen.«
Ich schluckte, überrascht, dass die Tochter des Fahrers nicht nur wusste, dass es mich gab, sondern sogar einige meiner albernen Geschichten gelesen hatte. »Cristina?«
»Eine andere habe ich nicht«, antwortete Don Manuel. »Der Herr ist oben in seinem Arbeitszimmer, wenn Sie hinaufgehen möchten.«
Ich nickte dankend und flüchtete mich ins Haus, wo ich zum Turm im dritten Stock hinaufstieg, der sich inmitten des gebogenen, bunten Ziegeldachs erhob. Dort saß Vidal in seinem Arbeitszimmer, von wo aus man in der Ferne die Stadt und das Meer sah. Er stellte das Radio ab, ein Gerät von der Größe eines kleinen Meteoriten, das er Monate zuvor gekauft hatte, als die ersten Sendungen von Radio Barcelona aus den Studios unter der Kuppel des Hotels Colon angekündigt wurden.
»Das hat mich vierhundert Peseten gekostet, und jetzt gibt es nur Plattitüden von sich.«
Wir setzten uns einander gegenüber. Alle Fenster waren zur Brise hin geöffnet, die mir, dem Bewohner der düsteren Altstadt, nach einer anderen Welt roch. Die Stille war köstlich, wie ein Wunder. Man konnte die Insekten im Garten sirren und die Blätter an den Bäumen im Wind rascheln hören.
»Fast wie im Hochsommer«, tastete ich mich vor.
»Lenk jetzt nicht ab. Man hat mir gesagt, was geschehen ist«, sagte Vidal.
Ich zuckte die Achseln und warf einen Blick auf seinen Schreibtisch. Ich wusste genau, dass er seit Monaten, wenn nicht seit Jahren etwas zu schreiben versuchte, was er einen »ernsten« Roman nannte, weit entfernt von den einfach gestrickten Geschichten seiner Kriminalromane, um seinen Namen in die altehrwürdigsten Bibliotheken einzuschreiben. Es lagen nicht viele Blätter da.
»Wie geht’s dem Meisterwerk?«
Vidal warf die Zigarettenkippe aus dem Fenster und schaute in die Ferne.
»Ich habe nichts mehr zu sagen, David.«
»Unsinn.«
»Alles im Leben ist Unsinn. Es ist nur eine Frage der Perspektive.«
»Das sollten Sie in Ihrem Buch schreiben. Der Nihilist auf dem Hügel. Garantiert ein Erfolg.«
»Wer bald einen Erfolg braucht, das bist du – wenn ich mich nicht täusche, sind deine Mittel so ziemlich am Ende.«
»Ich kann immer noch eine milde Gabe von Ihnen annehmen. Für alles gibt es ein erstes Mal.«
»Jetzt kommt es dir vor wie das Ende der Welt, aber …«
»… bald werde ich merken, dass es das Beste ist, was mir passieren konnte. Sagen Sie nicht, Don Basilio schreibt jetzt Ihre Reden.«
Vidal lachte.
»Was hast du vor?«, fragte er.
»Sie brauchen nicht
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