Bardenlieder von Silbersee - Die Drachenreiter 1: Schicksalsschlaege (German Edition)
Schwert zu führen, während sie darauf hoffen können, dass Goblins nur ihre Schafe rauben und nicht auch das eine oder andere Kind. Ich handle im Auftrag der Herrin Kartiana und habe ihre Rückendeckung. Doch alleine bin ich nicht mehr als ein degradierter Hauptmann, der Drachenjungen ihre Faxen austreibt. Wirst du mir helfen?«
Linara schwieg einen Augenblick. Im Schutz der Kampfschule in der Abgeschiedenheit des Waldes bekam man wenig von den Sorgen und Missständen mit, die ringsum die Menschen beschäftigten. Aufgewachsen in den Bergen, fand sich die junge Elfe in der Wildnis bestens zurecht und wusste sich im Notfall zu verteidigen. Sie hatte nie einen Gedanken daran verschwendet, ob die Kinder des nächsten Bauernhofes, der zwei Wegstunden entfernt von ihrem Zuhause gelegen hatte, sorglos auf der Weide spielen konnten, so wie sie sich nie viele Gedanken über irgendeinen Menschen gemacht hatte, den sie nicht kannte. Nun wurde ihr schlagartig klar, dass sie nicht die Einzige war, die es nicht gekümmert hatte. Doch so gedankenlos die Leute oft waren, sie würden es nicht länger sein können, wenn sich niemand mehr fand, der sie im Hinterland beschützte.
Langsam nickte Linara.
»Du hast nie erzählt, warum man dich degradiert hat.« Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Sie war sich nicht sicher, ob sie wirklich über dieses Thema sprechen wollte.
Atharis nahm ihr die Entscheidung ab, indem er sich barsch abwandte und in einer Truhe zu kramen begann.
Er förderte ein fein gearbeitetes Kettenhemd zutage und hielt es seiner Schwester hin. »Ich hoffe, dass dir Nahkämpfe vorerst erspart bleiben. Dennoch will ich, dass du für den Ernstfall gerüstet bist. Trage dies hier. Ich habe es von einem Händler aus Intirana im Tausch gegen ein Drachenbaby erhalten. Er beteuerte, dass es feinste zwergische Qualitätsarbeit sei und selbst magisch gehärteten Klingen standhalten würde.« Seine Hand glitt zu dem Heft des Schwertes an seiner Hüfte. »Vielleicht hätte ich ihn um eine Demonstration bitten sollen.«
Während Linara die glänzende Rüstung noch in den Händen abwog, öffnete er einen Schrank und griff sich eine der dort hängenden großen Armbrüste. Er reichte sie der Elfe.
»Was ist das?« Linara sah zweifelnd auf die schwere Waffe.
»Eine Armbrust«, erwiderte Atharis leicht irritiert. Er wusste, dass seine Schwester im Zuge ihrer Ausbildung bei ihrem Ziehvater den Umgang mit sämtlichen im Land gebräuchlichen Waffen geübt hatte, und verstand daher die Frage nicht.
»Das sehe ich! Jedoch, was soll ich damit?« Linara griff nach dem Jagdbogen, der über ihrer Schulter hing, und ließ ihn vor Atharis’ Augen hin und her schwingen. »Eine Eidechse von einem Baum aus einhundert Metern Entfernung! Du erinnerst dich? Und damals war ich erst zwölf Jahre alt.« Nach einer kurzen Atempause fügte sie hinzu: »Heute würde ich das jedoch nicht mehr fertigbringen.«
Ihr Bruder brauchte die Frage nicht auszusprechen. Das ›Warum?‹ stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben.
Linara lachte. »Weil mir die Eidechse heute viel zu leid täte!«
»Ach wieso?« Atharis gab vor, enttäuscht zu sein. »Sie hat doch eine vorzügliche Suppeneinlage abgegeben!«
Die Elfe runzelte skeptisch die Stirn. »Nun, wenn du magst, kann ich uns eine schöne Waldechse schießen und Sindra soll sie uns zum Abendmahl zubereiten.«
Atharis schlug die Hände über dem Kopf zusammen. »Ihr Götter, bewahrt mich!«, stöhnte er. Es war mittlerweile ein Jahrzehnt verstrichen, doch er erinnerte sich immer noch mit Schaudern an den Geschmack dieses kulinarischen Ausflugs in die Welt der Reptilien. An gegrillte Schlangen hatte er sich in seiner Zeit in der Ewigen Steppe gewöhnt. Waldeidechsen jedoch konnten seiner Meinung nach nur noch durch Salamander an Scheußlichkeit übertroffen werden. Atharis schüttelte sich. Dann sah er auf die Armbrust in seinen Händen herab. Linara hatte ihn erfolgreich abgelenkt, doch er wollte sich in der Streitfrage der Waffenwahl noch nicht geschlagen geben.
»Du wirst von dem Rücken eines Drachen auf entfernte Ziele am Boden schießen müssen. Armbrüste haben sich als treffsicherer bewährt. Das Nachladen während des Ritts bedarf zugegeben einiger Übung.«
»Diese Waffe ist viel zu schwer und unhandlich. Du wolltest eine Elfe haben, also vertraue mir! Oder finde dich zumindest damit ab, dass ich nicht bin wie die menschlichen Muskelprotze, die normalerweise Soldaten
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