Bardenlieder von Silbersee - Die Drachenreiter 1: Schicksalsschlaege (German Edition)
die Seite des toten Trolls. Vorsichtig bewegte er die Finger der rechten Hand, die bis jetzt krampfhaft das Heft seiner Waffe festgehalten hatten. Die Schmerzen, welche die tiefe Schramme am Gelenk ihm bereitete, entlockten ihm ein leises Stöhnen.
Aster stemmte die Arme in die Seiten. »Nun seht ihn euch an! Jetzt hockt er schon wieder im Staub herum!«
Atharis rang sich ein Lächeln ab, da er wusste, dass seine Rekrutin versuchte, ihn aufzumuntern. Doch er konnte den mitleidigen Unterton in ihrer Stimme nicht ignorieren.
»Woher hast du eigentlich dieses großartige Schwert?«, fragte Imares und sah bewundernd von der glänzenden Klinge zu der Leiche auf dem Boden und wieder zurück. Der Anderthalbhänder musste aus einem besonders gehärteten Stahl gefertigt oder womöglich gar mit Magie belegt sein. Selbst wenn Imares die Körperkraft seines Anführers besessen hätte, wäre es ihm nie möglich gewesen, mit seiner eigenen Waffe so etwas zu vollbringen, das war ihm klar.
»Ach, das habe ich von einem Feldherren aus meiner Zeit in der Ewigen Steppe.« Atharis bemühte sich, seine Erschöpfung zu überspielen und gewohnt unbekümmert und fröhlich zu klingen. Doch, dass Schauspielerei nicht zu seinen Talenten zählte, erkannte er spätestens, als ihm auffiel, wie nun auch seine Schwester ihm besorgte Blicke zuwarf.
»Er hat es dir geschenkt?« Imares war offensichtlich schwer beeindruckt.
»Das glaubst du doch selbst nicht!« Atharis rappelte sich auf, wischte das Schwert an seiner ohnehin hoffnungslos verschmutzten Kleidung ab und steckte es in die Scheide zurück.
Imares riss ungläubig die Augen auf. »Dann hast du es geklaut!«
»Ich glaube kaum, dass er noch Verwendung dafür gehabt hätte«, erwiderte Atharis mit einem Achselzucken. »Er war tot!«
»Sag das nicht!«, ließ sich Ciranos Stimme aus dem Hintergrund vernehmen. »Es gibt Völker, die in dem Glauben leben, sie würden die Waffen, mit denen sie bestattet werden, ins Reich des Todes mitführen.«
»Und wie steht es mit dir? Glaubst du auch daran?«, wollte sein Anführer wissen.
Der Krieger schnaubte. »Ich trage meine Waffe, damit sie mich vor dem Tod bewahrt. Sollte ich in die Verlegenheit geraten, mit ihr bestattet zu werden, dann hat sie ihren Dienst schlecht erfüllt. Warum sollte ich solch eine Waffe in die Ewigkeit mitnehmen?«
Atharis zog skeptisch die Augenbrauen hoch, sagte jedoch nichts. Offenbar ging Cirano davon aus, im Kampf den Tod zu finden. Krankheit und Altersschwäche schienen für ihn dermaßen unwahrscheinlich, dass er sich scheinbar noch nie mit dem Gedanken auseinandergesetzt hatte.
»Eine interessante Theorie, der Waffe die Schuld zu geben, wenn man verliert«, spottete Linara. »Ich dachte immer, die Klinge sei nur so gut wie die Hand, die sie führt!«
Der Krieger sah sie verächtlich an. »Nun, Elfe! Dann überlege dir doch einmal, wie lange dieses schartige Stück Eisen da in deiner Hand gegen das Schwert deines Bruders bestehen würde, ehe es zerschellt.«
»Ein wahrlich guter Kämpfer darf nicht durch seine Waffe bestimmt werden. Er muss aus jeder Gegebenheit in jeder Situation einen Vorteil für sich finden und in der Lage sein, ihn gegen seinen Gegner einzusetzen. Nur dann ist er wirklich gut!«, belehrte die junge Elfe ihn.
Cirano lachte auf. »Nett! Stammt das aus einem der Vorträge von Meister Makantheo zum Thema: Wie besiege ich einen Drachen mit einer Stricknadel?«
Linaras Augen verengten sich zu Schlitzen, in denen zorniges Feuer aufloderte. Cirano grinste sie breit an, da er annahm, eine wunde Stelle getroffen zu haben und sie in einen Wutausbruch zu locken. Doch die Elfe wandte sich ab und begann die umliegenden Leichen der Orks zu durchsuchen. Mit gelangweilter Stimme erklärte sie: »Nein, das stammt von mir.«
Sie stand bis zu den Knien in Leichen. Elfen … Menschen, die sie geliebt hatte … ihre Freunde …
Ringsum loderte eine Feuerwand hoch auf. Dahinter war nur Dunkelheit. Und Augen. Sie wanderten umher, suchten nach ihr.
Sie wollte zurückweichen. Doch sie konnte sich nicht bewegen.
Ihre Füße versanken in einem See aus Blut.
Die Augen sprangen durch die Feuerwand. Klingen blitzten.
Linara fuhr mit einem Schrei hoch.
Es war immer noch dunkel. Nur eine einzelne Kerze flackerte schwach. Sie malte Schattenmuster auf das Bett und auf den jungen Mann, der daneben kniete.
»Atharis!« Linara rang um Atem. Das Hemd klebte ihr schweißnass an der Haut.
Ihr Bruder strich
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