Bardenlieder von Silbersee - Die Drachenreiter 1: Schicksalsschlaege (German Edition)
genannt?«
Sindra missverstand die Absicht hinter der Frage völlig und beeilte sich, die Elfe zu beschwichtigen: »Entschuldige bitte, Linara! Es war nicht böse gemeint, nur eine freundschaftliche Kurzform. Es wird nicht wieder vorkommen.«
Linara winkte ab. »Nein, nein! Es ist schon in Ordnung! Es ist nur ... Ich kann mich nicht erinnern, dass hier oder auch in der Kampfschule mich jemals jemand so genannt hat. Und trotzdem ... trotzdem kommt es mir auf sonderbare Weise vertraut vor.«
Sindra bemerkte, dass Atharis sie anstarrte. Er hatte ihr einmal erklärt, dass die Vergangenheit seiner Schwester ein striktes Tabuthema war. Sindra ahnte, dass sie unabsichtlich etwas in den verschütteten Erinnerungen der Elfe angetastet hatte, das Atharis lieber weiterhin begraben sehen wollte. Womöglich war es ein aufregendes Geheimnis! Sindra biss sich auf die Lippen. Sie platzte fast vor Neugierde. Und Atharis würde explodieren – vor Wut –, sollte sie versuchen, dem Geheimnis weiter auf die Spur zu kommen. Schweren Herzens beschloss sie, das Thema zu wechseln und erklärte selbst für ihre Verhältnisse etwas zu überschwänglich: »Es wäre schön, wenn du heute bei Sonnenuntergang in die Stadt in den Schwarzen Handschuh kommen könntest.« Sie warf einen verstohlenen Blick auf ihren Arbeitgeber. Dann fügte sie hastig hinzu: »Es gibt da etwas, das ich mit dir und den anderen besprechen möchte.«
Noch bevor Linara etwas erwidern konnte, war das Halbling-Mädchen über die Wiese davongeeilt. Die junge Elfe sah fragend zu ihrem Bruder hinüber. Doch Atharis war betont eifrig mit Moorfees Zaumzeug beschäftigt und bemüht, ihrem Blick nicht zu begegnen.
Als Aster bei Einbruch der Nacht die Kneipe Zum Schwarzen Handschuh betrat, zweifelte sie nicht einen Augenblick daran, dass es kein Zufall war, dass Sindra ausgerechnet dieses Lokal für ihre geheime Besprechung gewählt hatte. Der Katze war dieser Ort keineswegs unbekannt.
Hier traf sich alles, was in den Diebesgilden Rang und Namen hatte. Und wer Interesse daran hatte, etwas käuflich zu erwerben, das sich im Besitz eines Jemand befand, der nicht verkaufen wollte, war hier ebenfalls richtig.
Es hatte einmal eine Zeit gegeben, als Aster fast täglich hier erschienen war. Jetzt ertappte sie sich dabei, dass sie ihre Hand aus reiner Gewohnheit in die Nähe ihres Dolches brachte, den sie verborgen unter ihrer Kleidung trug. Zwar war es in der Stadt verboten, in Kneipen und Gasthöfen Waffen zu tragen, doch es war ein ungeschriebenes Gesetz, dass man im Schwarzen Handschuh sehr wohl immer noch ein Ass im Ärmel und auf jeden Fall ein Messer im Stiefel haben sollte – ein Gesetz, an das sich jeder Dieb gewissenhaft hielt.
Aufmerksam huschten Asters Augen von einem dunklen Winkel des Schankraumes zum nächsten. Wenn hier jemand unter den Gästen war, den sie kannte, tat sie gut daran, ihn als Erste zu sehen, um noch genügend Zeit zu finden, entsprechend zu reagieren. Doch die einzigen vertrauten Gesichter, neben dem des Wirtes, waren die der Drachenreiter, die sich eng um einen kleinen Tisch in einer Nische drängten. Während sich Aster zu ihren Gefährten gesellte, registrierte sie gleichmütig, dass Atharis nicht anwesend war. Es hätte sie auch wahrlich überrascht, wäre es anders gewesen. Mittlerweile kannte sie Sindra gut genug, um zu wissen, dass diese das Wort geheim lediglich als Abkürzung für den Satz verwendete: Du kannst es erzählen, wem du willst, aber sag’s bloß nicht Atharis.
Aster zog den letzten freien Stuhl zu sich heran und nahm darauf Platz. »Nun, was ist der Anlass zu dieser geheimen Sitzung?«, fragte sie und sah Sindra direkt an.
»Ich kenne den Aufenthaltsort von Sirvathek!«, platzte das Halbling-Mädchen heraus und sah triumphierend in die Runde.
Linara zuckte verständnislos die Achseln. »Wer oder was ist Sri...«
»Eine Gutenachtgeschichte«, meinte Imares spöttisch, »die man kleinen Kindern erzählt, damit sie nicht alleine in den Wald gehen.«
»Ein Mythos«, warf Cirano ein.
»Ein Oger«, erklärte Aster.
»Genauer gesagt, ein Oger-Schamane, dem man starke magische Fähigkeiten nachsagt«, verbesserte Sindra. »Man erzählt sich, dass er verborgen im Gebirge lebt, wo er ungemeine Reichtümer angehäuft hat. Für einen Dieb steht lediglich die Plünderung eines Drachenhortes höher im Kurs!«
»Das Problem ist nur«, fügte Cirano hinzu, »dass niemand sagen kann, wo sein Versteck liegt, beziehungsweise, ob
Weitere Kostenlose Bücher