Bardenlieder von Silbersee - Die Drachenreiter 1: Schicksalsschlaege (German Edition)
mir, diesen ganzen Kram hier in den Keller zu schaffen. Danach packt ihr euch alle zusammen und verschwindet. Geht von mir aus in die Stadt und macht euch einen schönen Abend. Aber kommt sicherheitshalber nicht vor Mitternacht zurück.«
»Gut!« Vor allem von dem zweiten Teil seines Vorschlags war Sindra sehr angetan. »Was haltet ihr davon, wenn wir im Schwarzen Handschuh etwas trinken gehen? Ich lade euch auf eine Runde ein!«
Aster kräuselte skeptisch die Stirn. »Was ist denn in dich gefahren? Hat Atharis dir etwa eine Gehaltserhöhung gegeben?«
Währenddessen stand Jacharthis auf und schob sich verstohlen zum offenen Fenster. »Ich werde mich dann wohl besser verabschieden«, murmelte er. »Wir sehen uns morgen!« Er tastete nach dem Phönixamulett.
Sindra drehte sich hellhörig nach ihm um. »Oh nein, das wirst du nicht!«, rief sie aus, sprintete quer durch den Raum und warf sich gegen den Elfen. Jacharthis wurde von fünfzig Kilo geballtem Halbling getroffen. Die Wucht riss ihn von den Füßen. Beide kollerten über den Boden, bis die Wand ihren Schwung jäh bremste. Noch ehe der Elf begreifen konnte, wie ihm geschah, hatte ihm das Halbling-Mädchen die Arme in den Nacken verdreht, wo es ihn erbarmungslos festhielt. Jacharthis war zu überrascht, um effektiven Widerstand zu leisten.
Aster bog sich vor Lachen. Und während Jacharthis wie ein Maikäfer auf dem Rücken lag und hilflos mit den Beinen strampelte, trat sie auf ihn zu, bückte sich und streifte ihm die Goldkette über den Kopf. Triumphierend ließ sie den Anhänger vor seinen Augen hin und herbaumeln.
»Diesmal entkommst du uns nicht!«, lachte sie. »Keine Widerrede! Du wirst mit uns in die Stadt gehen!«
Linara beobachtete, wie Sindra und Aster den Elfen aus dem Raum führten, als wäre er ein gefangener Verbrecher. Für einen kurzen Moment fürchtete sie, er könnte den Umstand, dass Aster ihm das Amulett abgenommen hatte, erneut zum Anlass nehmen, spurlos zu verschwinden.
Nach ihrem Wiedersehen bei der Ruine hatten sie beide ein langes Gespräch geführt, in dem ihr Jacharthis gesagt hatte, dass er an ihrer Seite bleiben wollte, sofern sie akzeptierte, dass es gewisse Dinge in seiner Vergangenheit gab, über die er nicht reden konnte. Er hatte sie eine Freundin genannt. Nein, er würde sie nicht wegen dieses lächerlichen Streichs verlassen, daran musste Linara fest glauben.
»Du meine Güte!« Atharis sah dem Trio kopfschüttelnd hinterher. »Da kann ich nur hoffen, bei euch niemals in Ungnade zu fallen!«
»Trotzdem sollte man meinen, dass Jacharthis’ Schicksal heute dem deinen vorzuziehen ist«, behauptete die Elfe und nahm damit Bezug auf den ungebetenen Besuch.
»Ja!« Ihr Bruder strich sich die Haare zurück. »Er ist an diesem Abend wohl in besserer Gesellschaft als ich. Doch bin ich mir nicht sicher, ob er das unter den gegebenen Umständen zu würdigen weiß. Aus irgendeinem Grund scheint er Angst zu haben, in die Stadt zu gehen.«
»Vielleicht liegt das in der Natur des Elfenblutes«, überlegte sie. »Ich werde mich in der Stadt auch niemals wohlfühlen können.«
Es war nicht der wahre Grund, das spürte Linara. Sie warf noch einen nachdenklichen Blick zur Türe und zuckte ratlos die Achseln. »Komm, ich helfe dir, den ganzen Papierhaufen hier fortzuschaffen.«
Zielstrebig durchschritten die Drachenreiter die Straßen und Gassen von Silbersee. Sindras Einladung hatte sich schnell innerhalb der Truppe herumgesprochen, und sie wollten verhindern, dass das Halbling-Mädchen Gelegenheit für eine Ausrede fand und das Angebot zurückzog.
Jacharthis trottete hinter seinen Gefährten her, im Stillen dem regnerischen Wetter dankend, das ihn regelrecht dazu aufforderte, die Kapuze seines Umhangs tief ins Gesicht zu ziehen, um sich vor der Nässe und nicht zuletzt vor neugierigen Blicken zu schützen. In dem geschäftigen Treiben, das trotz des Nieselregens auf den Straßen herrschte, fühlte er sich auf eine ungewohnte Weise verletzlich.
Die Kneipe Zum Schwarzen Handschuh war überaus gut besucht an diesem Tag. Die Gefährten hatten Mühe, genügend freie Stühle aufzutreiben. Schließlich saßen sie dicht zusammengedrängt um einen zu kleinen Tisch und nippten an ihren Krügen. Jeder hing seinen Gedanken nach, die nicht selten zu der Drachenfarm wanderten, und so mancher fragte sich, wie dünn der seidene Faden wirklich war, an dem ihr Schicksal hing. Doch niemand wagte es, das Thema direkt anzusprechen
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