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Barins Dreieck

Barins Dreieck

Titel: Barins Dreieck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Nesser
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Gefühl.

    21

    Heinz

    »Entschuldigung, aber ist das nicht Jakob Daniel?«
    Es war die Stimme, an der ich ihn erkannte. Wenn ich nur nach dem Aussehen gegangen wäre, dann hätte ich es kaum geschafft. Zu den vielen Besonderheiten von Heinz gehört die Tatsache, dass er es ablehnt, fotografiert zu werden, und das erst recht, seit sein Name bekannt geworden ist. Graue Haare, dick und verfilzt. Bart, Koteletten und Augenbrauen in gleicher Konsistenz. Er sah mindestens zehn Jahre älter aus, als er wirklich war. Tief liegende Augen, die Wangen eingefallen, schlaksige Haltung und hochgezogene Schultern, als fröre er ... doch als ich wusste, dass es sich um Heinz Hellers handelte, erkannte ich ihn auch wieder.
    »Heinz! Das ist aber lange her.«
    Er zupfte sich am Bart.
    »Willst du dich nicht setzen?«
    »Ich weiß nicht ...«
    »Aber klar. Setz dich!«
    »Du wartest nicht auf jemanden?«
    »Nein. Ich sitze hier ganz einsam und allein. Schön, dich wiederzusehen.«
    »Danke.«
    Heinz Hellers, wie er leibt und lebt, kein Zweifel. Immer noch nicht in der Lage, sich irgendwo anzupassen. Die gleiche unterdrückte Nervosität. Ich konnte nur mit Mühe ein Schmunzeln unterdrücken. Ich erinnerte mich daran, dass es immer welche gegeben hatte, die ihn gern ärgerten. Seine Unschlüssigkeit nachäfften und sich auf seine Kosten amüsierten. Die rothaarige Kellnerin kam mit der Pastete, die ich bestellt hatte.
    »Willst du auch etwas essen?«
    »Ich weiß nicht.«
    Heinz hat immer einen schweren Kampf gegen seine Entschlusslosigkeit austragen müssen.
    »Ein bisschen Pastete und ein Bier?«, schlug ich vor.
    »In Ordnung.«
    Er hängte die Jacke über die Stuhllehne. Darunter trug er einen dicken, gestrickten Rollkragenpullover, der über und über mit Farbe bekleckert war. Als er mir nun gegenüber saß, konnte ich feststellen, dass auch sein Bart und seine Haare deutliche Spuren seiner Berufsausübung trugen.
    »Das ist aber lange her ...«
    »Zwanzig Jahre, glaube ich.«
    Er hustete etwas verlegen.
    »Und dir geht es gut?«
    Ich zeigte auf seinen Pullover.
    »Ja, schon ... habe Glück gehabt.«
    »Glück? Meine Frau behauptet, dass du einer unserer drei besten Künstler bist.«
    »Sagt sie das wirklich?«
    Ich glaube, er wurde sogar rot, aber es gab nicht besonders viele haarfreie Partien in seinem Gesicht. Wir saßen eine Weile schweigend da. Ich überlegte, ob ich schon mit meiner Pastete anfangen oder auf meinen Tischnachbarn warten sollte. Beschloss dann zu warten. Bot ihm eine Zigarette an.
    »Was treibst du hier in der Stadt?«
    Wie üblich war Heinz nicht derjenige, der ein Gespräch am Laufen hielt. Er zündete sich die Zigarette mit unsicherer Hand an.
    »Meine Mutter ist gestorben. Ich komme gerade von der Beerdigung.«
    »Das tut mir Leid.«
    Ich konnte nicht umhin, mich zu fragen, ob er tatsächlich in der gleichen Kleidung in der Kirche gesessen hatte, die er jetzt trug. Es war nicht leicht, sich Heinz Hellers in einem dunklen Anzug vorzustellen. Ich glaube, er trug nicht einmal eine Krawatte, als wir zusammen das Abitur machten.
    »Deine Mutter?«
    Er nickte.
    »Hat sie die ganze Zeit hier in der Stadt gelebt?«
    »Nur die letzten Jahre ... draußen in Miijskens.«
    »In Miijskens?«
    »Ja. Weißt du, wo das liegt?«
    »So ungefähr.«
    Wir schwiegen, während die Rothaarige sein Essen servierte.
    »Das ist alles etwas schwierig ...«
    »Schwierig?«
    »Ja.«
    Wir begannen zu essen.
    »Inwiefern ist es schwierig?«
    »Ich soll mich um das Haus kümmern, aber in zehn Tagen fahre ich nach Argentinien ...«
    Ich erinnerte mich, über seine Reise gelesen zu haben.
    »Du sollst zusammen mit Pereira arbeiten?«
    »Ja.« Er nickte. »Mit Augostino Pereira in Córdoba.«
    Er kaute. Pastetenkrümel fielen ihm aus den Mundwinkeln. Blieben im Bart hängen oder fielen weiter hinunter auf den Boden.
    »Kennst du Augostino Pereira?«
    »Nicht besonders«, musste ich zugeben. »Bei uns in der Familie ist es meine Frau, die sich um die Schönen Künste kümmert. . .«
    »Ach so.«
    Es vergingen ein paar Sekunden, dann kam es plötzlich.
    »Du hast keine Lust, dich für mich darum zu kümmern?«
    »Was meinst du?«
    »Um das Haus. Willst du mir dabei helfen?«
     
    Nach und nach – wir blieben mehr als eine Stunde bei Bier, Kaffee und Zigaretten zusammen sitzen – gelang es mir, den Zusammenhang zu verstehen. Während ihrer letzten Jahre hatte die alte Frau Hellers wieder in ihrem Elternhaus gelebt, einer Kate in

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