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Barins Dreieck

Barins Dreieck

Titel: Barins Dreieck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Nesser
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Versprechen, sogleich eine Suchmeldung rauszugeben. Er versprach mir außerdem, das Foto, das ich ihm geliehen hatte, umgehend zurückzubringen, sobald er es kopiert habe.
    Erst drei Tage später tauchte Kommissar Mort auf, und ich weiß nicht, ob Ahrenmeyer ihn angefordert hatte oder ob man den Beschluss höher in der Polizeihierarchie getroffen hatte. Er war jedenfalls von entschieden gröberem Kaliber. Klein und kräftig mit schwarzem, schütterem Haar voll Pomade. Sowie eiskalten grünen Augen. Ich erinnere mich, dass ich überlegte, dass man sicher dazu ausersehen ist, früher oder später Polizist zu werden, wenn man mit solchen Augen geboren wird.
    Diesmal fand das Verhör in dem Polizeirevier von Graues statt. An einem wackligen Resopaltisch und mit laufendem Tonband. Ich erinnere mich noch sehr genau.
    »Sagen Sie mir, was Sie glauben!«, fing er an.
    Ich konnte gar nicht so schnell antworten, wie er weiterredete.
    »Sie wissen, wo sie sich befindet, nicht wahr?«
    »Nein ...«
    »Es muss einen Grund dafür geben, dass Ihre Frau einfach auf und davon ist. Wollen Sie das etwa leugnen?«
    »Ja. Es muss ihr etwas zugestoßen sein ...«
    »Und was?«
    Ich zuckte mit den Schultern. Er deutete auf das Tonbandgerät.
    »Ich weiß es nicht«, sagte ich.
    »Hätten Sie eine Idee?«
    »Nein.«
    Er beugte sich zu mir vor, sodass ich seinen schlechten Atem riechen konnte. Aus irgendeinem Grund schwitzte er auch noch stark, obwohl er seine Jacke über die Stuhllehne gehängt hatte und in Hemdsärmeln vor mir saß.
    »Sie haben sich gestritten, stimmt’s?«
    »Nein.«
    »Sie lügen.«
    »Nein. Warum hätten wir uns streiten sollen?«
    Er ließ ein Lachen vernehmen, das sich eher wie ein Bellen anhörte.
    »Frau Handska vom Hotel hat berichtet, dass Sie fast die ganze Zeit getrennt verbrachten.«
    »...«
    »Nun?«
    »Wir haben unterschiedliche Interessen.«
    »Ach, erzählen Sie mir doch keine Märchen.«
    Es entstand eine Pause, während der wir uns unsere Zigaretten anzündeten.
    »Hatten Sie irgendeinen Grund, Ihre Ehefrau aus dem Weg zu räumen?«
    Ich erinnere mich, dass mir genau an diesem Punkt Rauch in den Hals kam, es muss also gleich beim ersten Zug passiert sein. Die darauf folgende Hustenattacke war so schlimm, dass er schließlich aufstand, um den Tisch herumging und mir auf den Rücken klopfte.
    Mir war klar, dass ich durch meine plötzliche Unpässlichkeit kaum irgendwelche Pluspunkte hatte sammeln können, gleichzeitig spürte ich eine gewisse Wut in mir aufsteigen.
    »Danke. Was wollen Sie damit andeuten?«
    »Andeuten?«
    Er ging zurück und setzte sich wieder.
    »Sie deuten an, dass ich etwas mit dem Verschwinden meiner Ehefrau zu tun habe.«
    »Wie meinen Sie das?«
    Für einen kurzen Moment konnte ich nicht sagen, ob er nun wirklich so dumm war oder ob er davon ausging, dass ich es war. Oder ob es sich nur um eine Art Taktik gemäß der Spielregeln handelte. Ich sagte gar nichts.
    »Erzählen Sie mir, was passiert ist«, forderte er mich nach einer halben Minute Schweigen auf.
    »Ich wollte den Fluss entlang wandern, und Ewa wollte lieber einen Ausflug mit dem Auto machen«, erklärte ich. »Wenn man so lange verheiratet ist wie wir, dann lässt man dem anderen die Freiheit.«
    »Wirklich?«
    »Jedenfalls, wenn man einen Funken gesunden Menschenverstand hat.«
    »Und Sie meinen, das haben Sie?«
    »Ja.«
    »Und Sie wissen nicht, wohin Ihre Frau wollte?«
    »Nein.«
    »Bestimmt nicht?«
    »Bestimmt nicht.«
    Und so ging es weiter. Mehr als eine Stunde saßen wir da und führten unseren Schlagabtausch über dem Tonbandgerät in dem rapsgelben Arrestraum. Ohne jede Vorwarnung stellte er plötzlich das Band ab, zog sich die Jacke an und erklärte, dass es für dieses Mal genüge.
    Und ganz richtig kam er ein paar Tage später wieder, an dem Morgen des Tages, an dem ich Graues verließ, um via Genf mit dem Flugzeug nach Hause zurückzukehren. Ich hatte es etwas eilig, und unser Gespräch beschränkte sich auf knapp fünfzehn Minuten, aber seine Taktik hatte sich nicht nennenswert verändert. Der gleiche plumpe Versuch, mich mit Unterstellungen zu überrumpeln ... der gleiche eiskalte Blick, das gleiche verschwitzte Hemd – oder zumindest ein ähnliches –, und als er mich endlich wieder verließ, spürte ich, wie froh ich war, ihn endlich los zu sein.
    Irgendwelche Hinweise bezüglich meiner verschwundenen Ehefrau waren während der Tage, die ich noch im Hotel geblieben war, auch nicht

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