Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Barins Dreieck

Barins Dreieck

Titel: Barins Dreieck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Nesser
Vom Netzwerk:
einziges Mal?«
    »Nein.«
    »Gibt es jemanden, der beweisen kann, dass Sie das Geld tatsächlich Ihrem Mann übergeben haben?«
    Sie überlegte.
    »Nein.«
    Und wenn ich mich recht erinnere, so verließ sie gleich nach dieser einfachen Feststellung den Zeugenstand.
     
    Ich verließ das Gerichtsgebäude mit einem Gefühl der Ermattung. Aber auch mit der Empfindung, dass es jetzt vorbei sei; mit einer Art bitterer Erleichterung, ungefähr wie nach einem Zahnarztbesuch.
    In den folgenden Tagen hielt sich dieses Gefühl. Ich wanderte in der Stadt herum ohne Ziel und ohne Hast, saß in den Parks oder Cafés und las oder betrachtete die Menschen und erlaubte mir ziemlich unbekümmert, das schöne Wetter zu genießen. Die Zeit schien mir erneut durch die Finger zu rinnen. Es war unmöglich, es nicht zu bemerken – dass ich mich wieder einmal in einer Periode der Leere und der Durchlässigkeit befand. Ein Wartesaal mit einem verspäteten Zug. Ich las natürlich die Zeitungsartikel, in denen vor Prozessende kräftig spekuliert wurde, über das Buch und die Urheberrechtsfrage, aber im Großen und Ganzen berührte mich das alles herzlich wenig. Ich begriff, dass meine Rolle beendet war, dass ich nunmehr hier im Gambrinus, im Mephisto oder im Vlissingen sitzen und das Schauspiel mit hochgezogenen Augenbrauen wie jeder andere auch betrachten konnte.
    Ich trank an diesen Tagen nicht besonders viel. Sicher, ich ging abends ein paar Mal in Bars, aber meistens war ich schon weit vor Mitternacht wieder daheim bei Beatrice, und als Janis Hoorne anrief und mit mir ans Meer fahren wollte, lehnte ich dankend ab und bat ihn, die Verabredung auf einen späteren Termin zu verschieben. Ich glaube, wir einigten uns auf Anfang Juni. Ich hatte damals noch keine Ahnung, dass es in diesem Jahr keinen Juni geben würde.
    Natürlich wusste ich, dass diese zufällig entstandene Mulde aus Ruhe und Distanz nicht für alle Zeiten währen würde. Im Gegenteil, es war mir absolut bewusst, dass es sich nur um eine Periode notwendiger Inhaltslosigkeit vor der nächsten Konzentrationsphase handelte. Vor der nächsten zähen Ansammlung von Meteoriten in der Zeitschleife.
     
    Die Verdichtung kam – wie zu erwarten war – im Zusammenhang mit dem Wochenende genau Mitte Mai.
    Am Freitag wurde das Urteil im Fall Rein gefällt. Ich hörte davon im Radio während einer der Nachrichtensendungen des Vormittags in gleicher Weise, wie ich von der Verhaftung erfahren hatte. Ich erinnere mich, dass das Fenster zur Straße weit offen stand, und während der Reporter langsam das kurze Kommuniqué verlas, hatte ich das Gefühl, als würde die ganze Stadt den Atem anhalten. Zumindest für ein paar Sekunden. Es war jedenfalls ein merkwürdiges Erlebnis. Ich kann es mir immer noch ohne Probleme ins Gedächtnis rufen.
    Mariam Kadhar schuldig.
    Otto Gerlach schuldig.
    Heimtückischer Mord.
    Entschieden ohne jeden Zweifel. Einigkeit unter den Geschworenen. Die Länge der Strafe war noch nicht festgelegt, aber es gab nichts, was darauf hindeutete, dass es auf etwas anderes als die Höchststrafe hinauslaufen würde. Zwölf Jahre für beide.
    Keine mildernden Umstände. Keiner von beiden weniger oder mehr schuldig als der andere. Kein Pardon.
    Ich schaltete das Radio aus, und die Stadt drang wieder zum Fenster herein.
    Ungefähr eine Woche später – am Samstagvormittag – rief Kerr an und teilte mir mit, dass die Verkaufszahlen sich jetzt um die fünfundvierzigtausend bewegten und dass die zweite Auflage (von noch einmal fünfzigtausend Exemplaren) gestartet würde. Er fragte, ob ich mehr Geld brauche, und ich nahm einen weiteren kleinen Vorschuss mit Freuden entgegen.
    An diesem Abend betrank ich mich sinnlos. Ging anschließend mit einer Frau in ihre Wohnung in der Max Willemstraat, aber ich glaube, weder sie noch ich hatten viel von unserem dürftigen Beischlaf auf ihrem Wohnzimmerboden.
    Sie jedenfalls bestimmt nicht.
    Am Sonntag – Sonntag, dem 16. Mai – teilte mir dann Haarmann mit, dass Elmer van der Leuwe am gleichen Abend auf dem Flughafen landen würde und dass er die Absicht habe, seine Beobachtung wieder aufzunehmen.
    Unter der Voraussetzung, dass es immer noch mein Wunsch sei, nach meiner verschwundenen Ehefrau zu suchen?
    Das war es, wie ich erklärte. Nachdem ich den Hörer aufgelegt hatte, stand ich auf, ging in die Küche und nahm zwei Tabletten gegen die äußerst dominanten Kopfschmerzen. Etwas verwundert stellte ich fest, dass es regnete –

Weitere Kostenlose Bücher