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Barins Dreieck

Barins Dreieck

Titel: Barins Dreieck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hakan Nesser
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Beachtung.
    Und an die Frau in St. M- dachte ich gar nicht mehr.
     
    Am Donnerstag kam ein Brief von Kristine. Er war maschinengeschrieben, nicht länger als eine Seite, und er gab keinerlei Grund zu Optimismus. Dennoch fand ich es schön, ihn zu bekommen.
    In den letzten Zeilen schrieb sie:
    »Ich werde in zwei Wochen zurückkehren. Lass uns dann alles diskutieren.«
    Ich ertappte mich bei dem Gedanken, dass es gut war, dass es noch zwei Wochen und nicht nur eine bis dahin waren.
     
    Wir hatten Telefonsprechstunde zwischen 9 und 10 Uhr, Walther und ich. Das ist übrigens die einzige Zeit, in der das Telefon eingestöpselt ist ... nun ja, wie Walther es damit hält, das weiß ich natürlich nicht. An diesem Freitag war ich an der Reihe, und es war wohl ein paar Minuten nach zehn, als Gisela Enn anrief.
    »Ich möchte Ihre Dienste erneut in Anspruch nehmen, Doktor Borgmann.«
    »Möchten Sie einen Termin, oder ...?«
    »Ich möchte, dass Sie wieder hierher kommen.«
    Ich überlegte einen Moment. Ihr Begehren war kaum eine Überraschung. Ohne mir dessen bewusst zu sein, hatte ich natürlich auf das Gespräch gewartet.
    »Um es genauer zu sagen, was soll ich Ihrer Meinung nach tun, Frau Enn?«
    »Muss ich das erklären?«
    »Nicht, wenn es Ihnen widerstrebt.«
    »Gut. Sie werden es schon verstehen, so oder so.«
    »Wann?«
    »Wenn Sie herkommen. Sie machen sich doch keine Sorgen um Ihr Honorar, Herr Doktor?«
    »Absolut nicht. Aber ich ...«
    »Ja?«
    »Ich würde trotzdem gern eine Vorstellung davon haben, wofür Sie mich bezahlen.«
    »Ich fordere nichts.«
    »Nichts?«
    »Nichts. Zumindest nichts, was Sie nicht selbst von sich fordern. Ich glaube schon, dass Sie das hier beurteilen können.«
    Ich erwiderte nichts. Einige Sekunden lang war die Leitung still. Dann fragte sie:
    »Kann ich damit rechnen, dass Sie kommen?«
    »Wann sollte das sein?«
    »Wann auch immer in den nächsten zehn Tagen. Wenn Sie nur vor dem Sechzehnten kommen könnten, dann können Sie sich den Tag aussuchen, der Ihnen am besten passt. Aber ich möchte, dass Sie viel Zeit mitbringen.«
    Ich blätterte in meinem Kalender.
    »Am Donnerstag nächster Woche?«
    »Ausgezeichnet. Sie sind um elf Uhr willkommen, Herr Doktor, genau wie beim letzten Mal. Und Sie haben den Tag zur Verfügung?«
    »Ja.«
    »Danke, Herr Doktor.«
    Ich legte den Hörer auf. Wollte gerade unsere Verabredung notieren, tat es dann aber doch nicht. Beschloss, es nicht aufzuschreiben.
    Der Donnerstag war mein freier Tag. Walther brauchte auch diesmal nichts davon zu wissen.
    Ich trank die Selters und zog mir den Pullover aus. Die Hitze war betäubend.

IV

    DONNERSTAG, 8. MAI

    W illkommen, Doktor Borgmann.«
    Zandors Lächeln war schnell überstanden. Ungefähr wie der Flug einer Schwalbe. Wie beim letzten Mal führte er mich in den Garten. Der wirkte jetzt tiefer. Dunkler und dichter irgendwie, durch die Bäume sickerte ein Muster aus Licht und Schatten. Sonnenflecken irrten unruhig über Gras und Büsche. Mir fiel auf, wie lautlos es hier innerhalb der Mauern war. Das dumpfe Grün versetzte alles in Stille, sog alle Geräusche auf. Unsere Schritte über die Steinfliesen waren nicht zu hören. Als Gisela Enn ihre Teetasse draußen auf der Terrasse hinstellte, war kein Klirren vom Porzellan zu hören. Eine taube, stumme Welt, dachte ich. Eine gemalte Landschaft mit ein paar wenigen, kaum lebendigen Gestalten. Ein Gemälde, dessen Farbe vor langer Zeit getrocknet ist, dem nur noch das Altern und Verwittern bleibt.
    Es war kein gutes Gefühl. Ich suchte bereits nach einer Zigarette, bevor ich mich am Tisch niedergelassen hatte.
     
    Gisela Enn saß im gleichen Liegestuhl wie beim letzten Mal, aber nicht sie zog meine Aufmerksamkeit auf sich.
    Es war das Vogelwesen in dem anderen Stuhl, das Hässlichste auf dem ganzen Gemälde. Und dennoch, oder vielleicht gerade deshalb, war es schwer, den Blick auf etwas anderes zu richten. In gleicher Position zusammengekauert, wie sie in ihrem Zimmer gelegen hatte, saß sie nun hier. In sich selbst verkrochen. Wahrscheinlich hatte Zandor oder Gisela sie einfach aus dem Bett gehoben und hierher versetzt.
    Sie auf den Stuhl gesetzt, ohne sie eigentlich zu bewegen. Der Kopf war zur Seite gedreht und gesenkt. Das Haar hing in dünnen Strähnen herab und verdeckte den größten Teil des Gesichts.
    Die Hände versteckt. Beine und Füße angezogen.
    Ich nickte stumm und setzte mich auf den dritten Liegestuhl. Gisela schenkte aus der Glaskanne

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