Barrayar
schickte ihn auf den Heimweg. Gregor spitzte sehnsüchtig an einer Gardine vorbei durchs Fenster, als das Kind wieder verschwand.
»Ich habe nicht gewagt, selber zu gehen«, erklärte Kly Cordelia.
»Vordarian hat jetzt schon drei Züge Soldaten dort oben.« Er stellte sich innerlich etwas vor und brach in prustendes Gekicher aus. »Aber der Junge weiß nichts, außer, dass der alte Postbote krank war und sein Ersatzpferd brauchte.«
»Die haben doch nicht etwa Schnell-Penta bei dem Kind angewendet, oder?«
»O doch.«
»Wie können die es nur wagen!«
Kly presste seine schwarzgefleckten Lippen zusammen, aus Mitempfinden für ihre Empörung. »Wenn er Gregor nicht zu fassen bekommt, dann ist Vordarians Putsch wahrscheinlich zum Scheitern verurteilt. Und das weiß er. Es gibt nur wenig, was er jetzt, bei diesem Stand der Dinge, nicht wagen würde.« Er hielt kurz inne. »Sie können froh sein, dass Schnell-Penta die Folter ersetzt hat, oder?«
Klys Schwiegerneffe half ihm, den Fuchs zu satteln und die Postsäcke festzuschnallen. Der Postbote schob seinen Hut zurecht und stieg auf das Pferd.
»Wenn ich meinen Zeitplan nicht einhalte, dann wird es für den General fast unmöglich sein, Kontakt mit mir aufzunehmen«, erklärte er. »Ich muss los, ich bin schon spät dran. Ich komme wieder zurück. Sie und der Junge sollen drinnen bleiben, außer Sicht, soviel Sie nur können, Mylady.« Er wendete sein Pferd in Richtung auf die Wälder, die ihr Laub schon abgeworfen hatten. Das Tier verschwand schnell im rotbraunen Gebüsch.
Cordelia fand Klys letzten Rat nur allzu leicht zu befolgen. Sie verbrachte den größten Teil der nächsten vier Tage auf ihrem Bett. Wie in einem Nebel vergingen die Stunden in stumpfem Schweigen, es war ein Rückfall in die erschreckende Müdigkeit, die sie nach der Operation zur Plazentaübertragung und deren fast lebensgefährlicher Komplikationen erlebt hatte. Gespräche gaben keine Ablenkung. Die Bergbewohner waren genauso wortkarg wie Bothari. Über ihnen lag die Drohung mit Schnell-Penta, dachte Cordelia. Je weniger man wusste, desto weniger konnte man sagen. Die Augen der alten Sonia musterten Cordelia neugierig, aber sie fragte nie mehr als nur: »Haben Sie Hunger?« Cordelia wusste nicht einmal ihren Familiennamen.
Baden. Nach dem ersten Bad verzichtete Cordelia auf weitere. Das alte Ehepaar arbeitete den ganzen Nachmittag hindurch, um genügend Wasser für Cordelia und Gregor zu holen und zu erhitzen. Ihre einfachen Mahlzeiten erforderten fast ebensoviel Anstrengung. Hier oben gab es kein Lasche ziehen, um Inhalt zu erhitzen. Technologie, der beste Freund einer Frau. Hier erschien Technologie nur in der Form eines Nervendisruptors in der Hand eines zielsicheren Soldaten, der einen rücksichtslos jagte wie ein Tier.
Cordelia zählte nach, wie viele Tage seit dem Putsch vergangen waren, seit die ganze Hölle ausgebrochen war. Was geschah in der großen weiten Welt? Welche Reaktionen kamen von den Streitkräften im Weltraum, von den Botschaften anderer Planeten, vom eroberten Komarr? Würde Komarr das Chaos für eine Revolte ausnützen, oder hatte Vordarian die Komarraner auch überrumpelt? Aral, was tust du jetzt dort draußen?
Obwohl Sonia keine Fragen stellte, brachte sie dann und wann von draußen Fetzen lokaler Neuigkeiten mit. Vordarians Truppen, die ihr Hauptquartier in Piotrs Residenz hatten, waren nahe daran, die Suche auf dem Grund des Sees aufzugeben. Hassadar war abgeriegelt, aber immer wieder entkamen Flüchtlinge. Die Kinder von irgend jemand waren herausgeschmuggelt worden und hielten sich jetzt bei Verwandten in der Nähe auf. In Vorkosigan Surleau waren die meisten Familien von Piotrs Gefolgsleuten entkommen, ausgenommen die Frau und die sehr betagte Mutter von Gefolgsmann Vogti, die in einem Bodenwagen weggebracht worden waren, niemand wusste, wohin.
»Und, ach ja, sehr seltsam«, fügte Sonia hinzu, »sie haben Karla Hysopi mitgenommen. Das ergibt keinen Sinn. Sie war nur die Witwe eines ausgeschiedenen Armeesergeanten, was für einen Nutzen versprechen sie sich von ihr?«
Cordelia erstarrte. »Haben Sie auch das Baby mitgenommen?«
»Baby? Donnia hat nichts über ein Baby erzählt. War es ein Enkelkind?«
Bothari saß am Fenster und schärfte sein Messer an Sonias Küchenschleifstein. Er hielt mitten in der Bewegung inne und sah auf.
Seine Augen begegneten Cordelias erschrecktem Blick. Sein Gesichtsausdruck änderte sich fast nicht, nur seine Kinnbacken
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