Barry Trotter und die schamlose Parodie
Hermeline. »Wir werden ihn schon irgendwie verhindern. Wir haben da ja noch die Jupiterlampe.«
Barry begann sich besser zu fühlen. »Hermi«, sagte er, »warum hatten wir beide eigentlich nie was miteinander?« Das Verlangen, das er in seinem Traum empfunden hatte, feierte eine triumphale Rückkehr. Inspiriert von dem Buch >Wie Männer Frauen belügen<, sagte er: »Keine Sorge — wenn es nicht funktionieren sollte, können wir immer noch Freunde sein.«
»Ich hab’s dir schon mal gesagt: Du bist nicht mein Typ«, erwiderte Hermeline. Die Wahrheit war, dass Barry mit seiner Brille ziemlich gruselig aussah — sein eines Auge war weit-, das andere kurzsichtig, weshalb er ein riesiges Glubsch- und ein winziges Knopfauge zu haben schien. Das hatte Hermeline immer so sehr irritiert, dass jeglicher Anflug von körperlichem Verlangen sofort verrauchte. Und früher, als sie sich gerade erst kennengelernt hatten, hatte er es mit der Hygiene noch nicht so genau genommen. Dennoch, vielleicht irgendwann mal ... aber nicht jetzt. Sie antwortete ihm mit einem Zitat aus dem Buch >Wie Frauen Männer belügen< »Wie heißt es so schön? »Affären sind nicht von langer Dauer, aber eine gute Freundin hat man für immer.<«
»Wie eine scheußliche Tätowierung, die man sich im Suff hat machen lassen?«
»Ja, genau«, sagte Hermeline lachend. »Jetzt, wo du reich bist, wirst du dich hoffentlich nicht mehr so bescheuert benehmen wie früher«, sagte sie. »Du brauchst niemandem mehr etwas zu beweisen. Du kannst jetzt einfach du selbst sein, oder?«
»Ich weiß nicht«, sagte Barry. »Ich habe mich so lange so benommen, als könne mir nichts und niemand etwas anhaben, dass ich nicht weiß, ob ich damit aufhören kann. Ich weiß nicht, ob ich überhaupt ein wahres Selbst habe.«
Hermeline dachte kurz nach, dann sagte sie: »Dafür gibt es einen Zauberspruch. Soll ich ihn anwenden?«
»Wofür gibt es einen Zauberspruch?«
»Dafür, dass du immer und unter allen Umständen du selbst sein kannst«, sagte sie. »Ich hab ihn in der elften Klasse gelernt, während du die Schule geschwänzt und dich mit allem möglichen Zeug zugedröhnt hast.« Sie holte ihren Zauberstab hervor.
»Ich weiß nicht, Hermeline. Ich bin ein bisschen ...«
»Seht.« Hermeline begann rasch und leise zu flüstern. Ihr Zauberstab zeichnete bizarre Formen in die Luft, wobei seine Spitze eine schwache Leuchtspur hinter sich herzog. Dann machte es leise »Plopp«.
»Okay, das war’s«, sagte sie.
Barry merkte, wie eine innere Ruhe ihn überkam. »Wow, Hermi. Ich fühle mich gleich ganz anders.«
»Gut.« Ein derartiger Zauber existierte nicht, aber wenn Barry daran glaubte, würde er trotzdem wirken. »Jetzt geh wieder schlafen. Wir kommen ganz früh morgens in L. A. an, und dann musst du fit sein. Außerdem« - sie schaute auf ihre Armbanduhr — »müsste mein neuer Bekannter gleich hier sein.«
Barry stand auf. Er beugte sich über den Tisch und umarmte Hermeline. »Danke. Für den Zauberspruch. Und für deine Freundschaft.« Er gab sich Mühe, auf jegliches Gefummel zu verzichten, aber die Macht der Gewohnheit war stärker.
»Gern geschehen«, sagte Hermeline, der sein Gegrabsche nichts ausmachte. Sie sah auf ihre Uhr, die im Zwielicht des schummrigen Waggons leuchtete. »Und jetzt zieh Leine.«
»Ich muss mich wirklich wundern, Hermeline«, sagte Barry kopfschüttelnd, »gibt es eigentlich auch Männer, bei denen du kein feuchtes Höschen kriegst?«
»He, pass auf«, erwiderte Hermeline gekränkt. »Wenigstens treib ich’s nicht mit Groupies.«
»Das war eigentlich als Kompliment gemeint. Du bist so anders als der schüchterne Bücherwurm, den ich kannte.«
Hermeline lächelte ein bisschen verlegen. »Woher soll man denn wissen, was gut ist, wenn man das Büffet nicht durchprobiert?«
Barry lachte. »Waidmannsheil«, sagte er und schritt den Gang hinunter. Als er durch die Schiebetür trat, stieß er mit einem Mann zusammen, der ihm entgegenkam. Es war Joel, das Muttermal.
»Tschuldigung«, sagte Barry. Auf dem Weg zurück zu seinem Abteil gluckste er in sich hinein.
Da es dunkel war, konnte man nichts anderes tun als schlafen, aber Barry war schließlich gerade erst aufgewacht, und daher fiel er nur in einen unruhigen Halbschlaf. Die Zeit verging, die Meilen flogen vorbei. Die Stimme des Schaffners draußen auf dem Gang brachte ihn abrupt wieder zur Besinnung. »Las Vegas, noch fünf Minuten bis Las Vegas.«
Sein Fragerufzeichen pochte,
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