Barry Trotter und die schamlose Parodie
und Barry schluckte eine Aspirin; vielleicht lag es daran, dass Prostitution hier legal war. Er saß da und versuchte den Schmerz wegzudenken. Der Schaffner kam ihm irgendwie bekannt vor — für einen Amtrak-Zug wirkte er eigentlich etwas zu ungehobelt. Das zahnlückige Lächeln ... die Narben auf der Nase und im Gesicht ... Plötzlich fiel es ihm wieder ein: Es war derselbe Mann, der ihn im dritten Kapitel in den kaputten Schlitten bugsiert hatte. »Ach du Scheiße! Das muss ich Hermi erzählen«, dachte Barry. (Lon konnte er es auch erzählen, aber er konnte es ebensogut bleiben lassen).
Just in diesem Moment steckte Lon seinen Kopf zur Tür herein. »Barry, dieser Typ, auf den du so stehst, steigt gerade in unseren Zug ein.«
»Welcher Typ, Lon?« fragte er genervt. Seine Kopfschmerzen gingen nicht weg, sondern wurden immer schlimmer.
»Dieser Sänger.«
Sänger, Sänger ... »Phil PRollins? Johnny Crash?«
Lon schüttelte den Kopf. »Art Soundso.«
»Du meinst doch nicht Art Valumord? Den von >Valid Tumor Alarm Das GIBT’S nicht!« Alle vorangegangenen Gedanken — und Kopfschmerzen — waren durch Barrys wahnsinnige Begeisterung wie weggeblasen.
Sofort begann seine Phantasie Kapriolen zu schlagen. Er würde zu Mr. Valumord gehen und sich ihm vorstellen. Valumord würde in ihm sofort einen Bruder im Geiste erkennen, und sie würden sich sofort prächtig verstehen. Sie würden miteinander scherzen und lachen, und vielleicht würde er Barry eine seiner »Bräute« offerieren. Und schließlich, wenn der Morgen schon graute, würde Mr. Valumord (den Barry inzwischen mit seinem Spitznamen »Old Stinky Bastard« anreden durfte) ihn bitten, bei seinem nächsten Album mitzumachen. Barry würde sich zieren, aber Mr. Valumord würde ihn mit den Worten anflehen, seine Karriere hinge davon ab, und schließlich würde Barry einwilligen, bei der nächsten Tournee und darüber hinaus als Bandleader von >Valid Tumor Alarm< dabeizusein.
Ein Ruck ging durch den Zug, als Arts Privatwaggon angekoppelt wurde. Wie jeder Fan wusste, hatte der Frontmann von VTA dem Fliegen abgeschworen, nachdem er sich durch eine Flugzeugmahlzeit eine Lebensmittelvergiftung zugezogen hatte. (Man könnte meinen, dass es genügt hätte, dem Flugzeugessen abzuschwören, aber Genies sind eben manchmal etwas sonderbar). Barry musste sich schwer beherrschen, um nicht sofort zu seinem Star zu eilen, aber trotz seines ehrfurchtvernebelten Zustands kam ihm der Gedanke, dass er Art Zeit lassen sollte, sich zu sammeln und sich auf die Ankunft seines rechtmäßigen Erben vorzubereiten. Barry blieb sitzen, hibbelte herum und sah alle paar Minuten in den Spiegel.
Schließlich hielt unser Held es nicht mehr aus und sprang auf. Er ging so schnell den Gang hinunter, dass der gruselige Schaffner ihn anbrüllte, er solle nicht so rennen. Barry wartete, bis die Tür sich hinter ihm geschlossen hatte, dann rannte er erst recht weiter. Etwas außer Atem erreichte er die Tür des Waggons.
Gerade als er anklopfen wollte, ging sie auf.
»Ich habe dich erwartet«, sagte eine vertraute Stimme.
Kapitel sechzehn
Nur die Ruhe, es ist gleich vorbei
Barry trat in den Waggon, eine Spezialanfertigung, die mindestens so lang wie ein durchschnittlicher Reisebus war und mit einem derart tiefen und weichen Teppichboden ausgelegt, dass sein angeschlagener Knöchel nachgab. »Au!« sagte er und hopste zu einem Stuhl.
»Zieh deine Schuhe aus, ich will nicht, dass du meinen Teppich schmutzig machst«, rief Art aus dem Nebenraum, woraufhin Barry hektisch in seinen eigenen Fußstapfen wieder zurückhopste und seine dreckigen Turnschuhe auszog. »Im Kühlschrank ist Malzbier, fühl dich wie zu Hause. Ich bin im Bad, dauert nur noch eine Sekunde.« Barry konnte ein dämliches, hohes Kichern hören.
Er schaute sich um. Es war der Himmel auf Erden. Das Licht war gedämpft, brennende Kerzen versetzten das Tigermuster der Tapete in einen hypnotischen Tanz, und neben VTAs zahllosen Gold- und Platin-Platten hingen Poster von Frauen im Bikini (mit Autogrammen in der kindlichen Klaue der Models: »Für Art, den Besten, den ich je hatte«) an den Wänden.
In einer Ecke befand sich eine prall gefüllte Bar und dahinter eine sündhaft teure Stereoanlage, aus der VTAs neuester Hit, >Sugar Sugar<, dröhnte, ein deftiges, mit vielen fetten Beats und Schimpfwörtern gespicktes Remake des alten Bubblegum-Hits. In der anderen Ecke stand ein langes, schwarzes Ledersofa. Ein riesiger
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