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Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand

Titel: Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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Innenstadt.
    Ich drehte mich kein einziges Mal um, sondern flatterte einfach immer weiter, so schnell ich konnte. Erst über eine breite, graue Hauptverkehrsstraße, dann über eine Reihe niedriger Garagen, eine schmalere Straße, ein Ziegeldach, einen Themsebogen, eine Werft und einen Schrottplatz, noch eine Straße… Hey! Es lief gar nicht mal so übel! Es sah ganz danach aus, als hätte ich wie üblich verfluchten Dusel gehabt! Der Tower von London musste längst über einen Kilometer hinter mir liegen. Bald konnte ich…
    Ich blickte auf und blinzelte erschrocken. Was war das? Vor mir ragte drohend der Tower von London auf. Ganze Schwärme geflügelter Wesen sammelten sich über dem Hauptturm. Und ich flog darauf zu! Offenbar war mein Orientierungssinn komplett durcheinander geraten. Völlig verwirrt zog ich eine 180-Grad-Schleife um einen Schornstein und düste in die entgegengesetzte Richtung. Hinter mir hörte ich Faquarl rufen.
    »Bartimäus! Halt an!«
    »Hast du nicht gesehen?«, rief ich über den Flügel nach hinten. »Gleich haben sie uns!« Ohne Rücksicht auf Faquarls eindringliche Rufe verdoppelte ich mein Tempo. Dächer flitzten unter mir vorbei, dann überquerte ich in Rekordzeit den breiten, schlammigen Fluss und dann…
    Schon wieder der Tower von London! Die fliegenden Gestalten schwärmten jetzt nach allen Richtungen aus, jede Schar wurde von einer Suchkugel angeführt. Ein Trupp kam direkt auf mich zu. Mein Instinkt befahl mir, sofort kehrtzumachen und zu fliehen, aber inzwischen kannte ich mich überhaupt nicht mehr aus. Ich ließ mich auf einem Dachfirst nieder, im nächsten Augenblick landete Faquarl neben mir.
    Er keuchte und fluchte fürchterlich.
    »Du Schwachkopf! Jetzt sind wir wieder da, wo wir hergekommen sind!«
    Endlich fiel bei mir der Groschen. »Du meinst…?«
    »Der erste Tower war ein Spiegeltrick. Wir hätten einfach durchfliegen sollen. 70
(Spiegeltrick: ein besonders ausgefuchster und hinterhältiger Zauber. Er schafft Trugbilder von sehr großen Gegenständen – beispielsweise einer Armee, eines Berges oder einer Burg. Die Bilder sind flach und lösen sich auf, sobald man hindurchgeht. Spiegeltricks können den klügsten Gegner verwirren. Wie man an unserem Beispiel sieht. )
Lovelace hat mich noch gewarnt – aber du wolltest ja nicht hören! Hol der Teufel meinen verletzten Flügel und dich gleich dazu, Bartimäus!«
    Das Dschinnbataillon kam über die Außenmauer geflogen. Zwischen ihnen und uns lag kaum noch eine Straßenbreite. Faquarl verkroch sich niedergeschlagen hinter einen Schornstein. »Die hängen wir nicht mehr ab.«
    Doch ich hatte einen Geistesblitz. »Dann wechseln wir eben die Fortbewegungsart. Da hinten war doch eine Ampel.«
    »Na und?« Faquarls allseits bekannte Liebenswürdigkeit ließ momentan etwas zu wünschen übrig.
    »Wir lassen uns einfach mitnehmen.« Ich segelte auf der Rückseite des Gebäudes auf eine Kreuzung herab, wo ein paar Autos an einer roten Ampel warteten, und landete am Ende der Schlange auf dem Bürgersteig. Faquarl kam hinterher.
    »So«, verkündete ich. »Die nächste Verwandlung ist fällig.«
    »In was?«
    »Irgendwas, das sich gut festhalten kann. Mach schon, die Ampel springt um.« Bevor Faquarl protestieren konnte, hüpfte ich vom Bordstein unter das nächstbeste Auto und versuchte, den widerlichen Gestank nach Öl und Benzin zu ignorieren, der noch stärker wurde, als der unsichtbare Fahrer den Gang einlegte. Ohne Bedauern verabschiedete ich mich von dem Raben und nahm die Gestalt eines fiesen Höllengnoms an, der praktisch aus einem einzigen stachligen Muskelstrang besteht. Ich fuhr die spitzen Stacheln aus und bohrte sie in das dreckverkrustete Metall des Unterbodens, als der Wagen auch schon anfuhr und losbrauste. Insgeheim hatte ich gehofft, Faquarl würde nicht schnell genug hinterherkommen, aber Pech gehabt: Neben mir krallte sich ein zweiter Gnom fest und ließ mich nicht aus den Augen.
    Unterwegs sprachen wir wenig, dafür war der Motor zu laut. Abgesehen davon haben es Höllengnome eher mit den Zähnen als mit der Zunge.
    Nach einer halben Ewigkeit hielt der Wagen an. Der Fahrer stieg aus und ging weg. Stille. Ächzend lockerte ich meine diversen Verankerungen und plumpste unsanft auf den Asphalt. Mir war ganz schlecht von der Fahrt und dem Gestank nach Technik. 71
(Viele moderne Produkte – Kunststoff, synthetische Metalle, das Innenleben von Maschinen – haben so viel Menschliches an sich, dass unsere

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