Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand

Titel: Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
Vom Netzwerk:
Schritte, doch jetzt blieb er zum ersten Mal stehen. Vor lauter Wut vergaß er seine Angst.
    Leises Quietschen. Der alte Mann kam zurück, folgte der Spur der verstreuten Bücher und spähte in jeden Gang zwischen den Regalreihen. Aber er konnte den Jungen nirgends entdecken. Mit erhobener Hand betrat er den letzten Gang…
    …und schnalzte ärgerlich mit der Zunge. Der Gang war leer.
    Auf diese Weise gelang es Nathanael, der geräuschlos durch die Regale zurückgeklettert war und sich jetzt von hinten anschlich, den Alten zu überrumpeln.
    Drei Würfel auf einmal trafen den Zauberer in den Rücken und explodierten gleichzeitig auf Zuruf. Ein hellgrünes Feuerrad, ein Wiener Knallfrosch und eine dunkelblaue Funkenfontäne, und obwohl jeder für sich genommen vergleichsweise harmlos war, waren sie vereint nicht zu unterschätzen. Ein Potpourri abgedroschener Volkslieder erklang und es roch erstickend nach Eberesche, Edelweiß und Kampfer. Die geballte Explosion hob den alten Mann hoch und schleuderte ihn mit dem Kopf voran quer durch den Raum gegen die Tür. Die Tür flog auf und der Alte brach mit unnatürlich verrenktem Hals auf der Schwelle zusammen. Schlagartig erlosch das schwarze Wabern um seine Hand.
    Den letzten Würfel in der geballten Faust, ging Nathanael langsam durch den Rauch zu ihm hinüber.
    Der Zauberer rührte sich nicht.
    Vielleicht stellte er sich bloß bewusstlos und sprang im nächsten Augenblick kampfbereit auf… Nathanael musste auf alles gefasst sein.
    Näher… Immer noch nichts. Jetzt stand er direkt vor den nach außen verdrehten Füßen des Alten…
    Noch ein halber Schritt… jetzt musste er doch aufstehen…
    Maurice Schyler stand nicht auf. Er hatte sich das Genick gebrochen. Seine Wange ruhte am Türrahmen und seine Lippen waren leicht geöffnet. Nathanael stand so dicht vor ihm, dass er die Falten auf der runzligen Wange zählen konnte. Er sah die roten Äderchen auf der Nase und unter dem einen Auge…
    Das Auge war offen, aber glasig und blicklos wie bei einem toten Fisch. Es wurde halb von einer schlaffen weißen Haarsträhne verdeckt.
    Nathanaels Schultern bebten. Er war kurz davor, in Tränen auszubrechen. Doch er zwang sich, ruhig stehen zu bleiben und zu warten, bis sein Atem wieder ruhig ging und das Zittern nachließ. Als er sich wieder unter Kontrolle hatte, stieg er mit einem großen Schritt über den Toten hinweg. »Sie haben sich geirrt«, sagte er leise. »Ich bin nicht wegen meines Meisters hier.«
    Bei dem Raum handelte es sich um ein kleines, fensterloses Zimmer, womöglich eine ehemalige Abstellkammer. In der Mitte war ein Pentagramm auf den Boden gemalt und ringsherum standen sorgsam arrangiert Kerzen und Räuchergefäße. Die auffliegende Tür hatte zwei Kerzen umgestoßen. Nathanael stellte sie wieder auf.
    An der Wand hing an einem Nagel ein goldener Bilderrahmen. Doch er enthielt kein Gemälde, sondern wurde von der Ansicht eines riesigen, runden, sonnendurchfluteten Saales ausgefüllt, in dem sich viele kleine Gestalten tummelten. Nathanael wusste sofort, worum es sich handelte: um einen ungleich schärferen und mächtigeren Zauberspiegel als seine selbst gebastelte Bronzescheibe. Er trat näher heran. Jetzt erkannte er einen großen, bestuhlten Vortragssaal, dessen teppichbedeckter Fußboden merkwürdig glänzte. Durch eine Seitentür traten soeben lachend, schwatzend und mit Gläsern in der Hand die Minister ein. Neben der Tür standen mehrere Bedienstete und verteilten Programme und schicke schwarze Kugelschreiber. Auch der Premierminister war darunter, von Verehrern umringt und mit dem grimmigen Afrit im Schlepptau. Lovelace war noch nicht zu sehen.
    Aber er konnte jeden Augenblick auftauchen und mit der Durchführung seines Planes beginnen.
    Nathanael sah eine Schachtel Streichhölzer auf dem Boden liegen. Rasch zündete er die Kerzen an, überprüfte vorsichtshalber das Räucherwerk und trat in das Pentagramm, wobei er trotz seiner Hast den sicheren Strich bewunderte. Dann schloss er die Augen, sammelte sich und rief sich die richtige Formel ins Gedächtnis.
    Es dauerte einen Moment, dann war er so weit. Von dem vielen Rauch war seine Stimme ein bisschen heiser, und er musste sich ein paar Mal räuspern, bevor er die Worte sprechen konnte.
    Die Wirkung trat sofort ein. Nathanaels letzter Beschwörungsversuch lag schon so lange zurück, dass er richtig zusammenzuckte, als der Dschinn tatsächlich erschien. Er zeigte sich in Wasserspeier-Gestalt und

Weitere Kostenlose Bücher