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Bartimäus 02 - Das Auge des Golem

Titel: Bartimäus 02 - Das Auge des Golem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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aber irgendwie schien sie einfach hindurchgeschlüpft zu sein.
    Hinter ihr ertönte ein grässliches Knirschen, gefolgt von einem fürchterlichen Poltern, vielstimmigem Jubel und zwischendurch einem Schmerzensschrei. Sie hörte Mr Pennyfeather loben: »Gut gemacht, Jungs, gut gemacht! Hör auf zu schniefen, Stanley, das ist doch bloß ein Kratzer. Kommt alle her! Jetzt wollen wir uns die Sache mal genauer betrachten!«
    Sie hatten es geschafft. Das musste sie sehen! Kitty kam mühsam und mit zusammengebissenen Zähnen auf alle viere und griff nach der Laterne. Als sie aufstand, fiel Licht auf den Boden vor ihren Füßen.
    Obwohl es ihr nicht an Mut mangelte, obwohl sie der Truppe schon lange angehörte und auf ihren Streifzügen schon viele brenzlige Situationen ausgestanden hatte, obwohl weder Dämonen noch der Tod ihrer Freunde sie auf Dauer schrecken konnten, verspürte sie angesichts dessen, was sie jetzt erblickte, ein so lähmendes Entsetzen wie damals, als sie schlotternd vor Angst auf der Eisenbrücke am Park gestanden hatte. Das Blut hämmerte ihr in den Schläfen, ihr wurde schwindlig. Sie hörte ein lang gezogenes, schrilles Heulen durch die Gruft hallen und zuckte erschrocken zusammen, als sie merkte, dass es von ihr selbst kam.
    Der freudige Lärm hinter ihr verstummte schlagartig, und sie hörte Anne fragen: »Was war das? Wo ist Kitty?«
    Kitty konnte sich nicht losreißen. »Hier bin ich«, flüsterte sie heiser.
    »Kitty?«
    »Wo bist du?«
    »Dieses verflixte Mädchen! Ist sie wieder hochgegangen? Lauf schnell hinterher, Nicholas!«
    »Kitty!«
    »Hier bin ich! Hier hinten! Seid ihr blind?« Lauter sprechen konnte sie nicht, ihre Kehle war wie zugeschnürt. »Hier bin ich! Und da ist noch jemand…«
    Die richtige Rückwand der Gruft lag höchstens drei Meter hinter der trügerischen, durch die sie hindurchgeglitten war. Der Schimmel hatte die falsche Wand einfach ignoriert und war weitergewachsen, war über Boden und Wände und alles, was am Boden lag, gekrochen und schimmerte fahl im kalten Lampenlicht. Doch der dicke weiße Pelz machte das, was dort ordentlich an der Wand aufgereiht lag, keineswegs unkenntlich. Zu sechst lagen sie Schulter an Schulter, die Köpfe zeigten in Kittys Richtung, die Beine zur Wand, die knochigen Hände waren friedlich auf der Brust gefaltet. Dass die Gruft nahezu luftdicht abgeschlossen gewesen war, hatte die vollständige Verwesung verhindert, vielmehr war das Fleisch auf den Knochen so geschrumpft und eingeschnurrt, dass die gespannte Haut ihnen die Unterkiefer herunterzog und sie aussehen ließ, als schrien sie stumm in nackter Todesangst. Die Haut war lederig und runzlig und schwarz wie versteinertes Holz, die Augäpfel waren weggetrocknet. Alle sechs trugen altmodische Anzüge, die steifen Beine steckten in schweren Stiefeln. Bei einem ragte der Brustkorb aus dem Hemd. Das Haar war komplett erhalten und wucherte wie Seetang auf den scheußlichen Schädeln. Ein Mann mit einem immer noch schönen kastanienbraunen Lockenschopf fiel Kitty besonders auf.
    Die Gefährten riefen immer noch nach ihr. Hatten sie denn keine Augen im Kopf?
    »Hier bin ich!« Sie gab sich einen gewaltsamen Ruck und drehte sich um. Nick und Anne standen ganz in der Nähe und fuhren bei ihrem Gebrüll erschrocken herum, aber ihr verwirrter Blick glitt einfach über Kitty hinweg. Kitty schnaufte wütend und ging auf sie zu. Dabei spürte sie am ganzen Leib ein seltsames Kribbeln.
    Nick schrie auf, Anne ließ die Lampe fallen.
    »Das müsst ihr euch unbedingt ansehen!«, sagte Kitty schlicht, und dann, als die beiden nicht darauf eingingen: »Was ist denn mit euch los, verdammt noch mal?«
    Ihr wütender Ton brachte Nick wieder zu sich. »A-aber siehst du das nicht?«, stammelte er. »Du steckst ja halb in der Mauer!« Kitty blickte an sich herunter. Tatsächlich, von Nicks Standort aus gesehen, war das Trugbild täuschend echt, nur ihr Bauch, ihre Brust und der vorgestreckte Fuß ragten aus der falschen Wand. Das Kribbeln kam von den Übergängen, den Stellen, an denen sie mit der Magie in Berührung kam.
    »Es flimmert nicht mal«, flüsterte Anne. »Ich hab noch nie so ein überzeugendes Trugbild gesehen!«
    »Ihr könnt einfach durchgehen«, sagte Kitty beiläufig. »Dahinter gibt’s übrigens was zu sehen.«
    »Den Schatz?« Nick konnte seine Ungeduld kaum noch bezähmen.
    »Nein.«
    Im Nu versammelte sich der Rest der Truppe vor der Wand und nach kurzem Zögern schritten sie nacheinander

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