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Bartimäus 02 - Das Auge des Golem

Titel: Bartimäus 02 - Das Auge des Golem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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und schlenderte die Poultry Street hinunter, wo sein Wagen auf ihn wartete. Kam ihm unterwegs jemand in die Quere, wurde derjenige von dem unsichtbaren Diener beiläufig weggeschubst.
    Mr Pinn wuchtete seine Leibesfülle auf die Rückbank und gab dem Fahrer ein Zeichen. Dann ließ er sich zurücksinken und sagte ins
    Leere: »Simpkin?«
    »Jawohl, Herr?«
    »Ich komme heute nicht mehr in den Laden. Morgen ist Gladstone-Tag und Mr Duvall gibt zu Ehren unseres Gründervaters ein Essen. Bedauerlicherweise muss ich an dieser öden Abfütterung teilnehmen.«
    »Sehr wohl, Herr. Heute Mittag sind mehrere Kisten aus Persepolis eingetroffen. Soll ich schon mit dem Auspacken anfangen?«
    »Allerdings. Sortier alles aus, was nicht so spannend ist, und kleb schon mal Preisschilder drauf. Alle Päckchen mit einem roten Flammenstempel lässt du zu, da sind die wertvolleren Objekte drin. Es müsste auch eine große Kiste mit einer zerlegten Sandelholzvertäfelung dabei sein, mit der musst du besonders vorsichtig umgehen. Unter den Brettern ist nämlich ein Holzsarg mit einer Kindermumie aus der Zeit Sargons versteckt. Der persische Zoll kontrolliert immer schärfer und mein Mittelsmann muss sich andauernd neue Tricks einfallen lassen. Hast du dir alles gemerkt?«
    »Aber gewiss doch, Herr. Es ist mir ein Vergnügen, Eure Anweisungen Wort für Wort zu befolgen.«
    Der Wagen hielt vor den vergoldeten Säulen und hell erleuchteten Schaufenstern von Pinns Ausstattungen, dem Fachgeschäft für Zaubererbedarf. Die hintere Wagentür öffnete und schloss sich wieder, doch Mr Pinn blieb sitzen, und die Limousine fädelte sich wieder in den Verkehr auf der Piccadilly ein. Kurz darauf klirrte ein Schlüssel in der Ladentür, sie öffnete sich und wurde behutsam wieder zugezogen.
    Wieder einen Augenblick später spannte sich auf der vierten und fünften Ebene ein bläuliches Netzwerk magischer Knoten um das Gebäude und wölbte sich über dem Dach zu einer geschlossenen Kuppel. Pinns Ausstattungen war für die Nacht gesichert.
    Es war später Abend. Auf der Piccadilly herrschte kaum noch Verkehr, nur vereinzelte Passanten kamen noch an Pinns Laden vorbei. Der Foliot Simpkin schlang den Schwanz um eine lange Hakenstange und zog die hölzernen Rollläden herunter. Einer davon quietschte leise. Mit ärgerlichem Schnalzen gab Simpkin seine Tarnung auf und präsentierte sich in seiner wahren Gestalt: ein kleines hellgrünes Geschöpf mit krummen Beinen und geschäftigem Gehabe. Er suchte und fand ein Kännchen hinter dem Ladentisch, reckte den Schwanz steil in die Höhe und spendierte dem Scharnier einen Tropfen Öl. Dann wischte er den Boden, leerte sämtliche Mülleimer, entriegelte den Mechanismus der Schaufensterpuppen und schleppte, als alles zu seiner Zufriedenheit erledigt war, aus dem Hinterzimmer etliche große Lattenkisten herbei.
    Doch bevor er sich dieser neuen Aufgabe zuwandte, überprüfte Simpkin ein weiteres Mal sorgfältig die magische Alarmanlage. Zwei Jahre zuvor, als er über Mittag allein im Laden gewesen war, war es einem heimtückischen Dschinn gelungen, sich Einlass zu verschaffen, und eine Fülle magischer Kostbarkeiten war entzweigegangen. Simpkin hatte großes Glück gehabt, dass ihm sein Herr verziehen hatte, geradezu unverdientes Glück. Trotzdem zitterte seine Substanz jedes Mal wie Wackelpudding, wenn er sich der Bestrafung entsann. So etwas durfte nie wieder vorkommen.
    Sämtliche Alarmknoten waren intakt und sirrten warnend, sobald er in die Nähe der Wände kam. Alles war in Ordnung.
    Simpkin stemmte den Deckel von der ersten Kiste und hob eine Lage Holzwolle nach der anderen heraus. Der erste Gegenstand, auf den er stieß, war klein und in schmuddelige Mullbinden eingewickelt. Mit geübten Handgriffen entfernte er die Umhüllung und betrachtete den Inhalt unschlüssig. Es war eine Art Puppe aus Knochen, Stroh und Muscheln. Simpkin kritzelte mit einer langen Gänsefeder einen Vermerk in seine Kladde: »Mittelmeerraum, ca. 4000 Jahre alt. Liebhaberstück. Handelswert unerheblich.« Er legte die Figur auf die Theke und stöberte weiter.
    Simpkin arbeitete sich ungestört voran, bis er bei der vorletzten Kiste angelangt war, der mit der zerlegten Sandelholzvertäfelung. Er tastete vorsichtig nach der geschmuggelten Mumie, als er plötzlich etwas rumpeln hörte. Was war das? Der Straßenverkehr? Nein… dafür setzte das Geräusch zu plötzlich ein und verstummte zu abrupt. Vielleicht donnerte es irgendwo weiter

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