Bartimäus 03 - Die Pforte des Magiers
andere meinem Beispiel folgen. Dann bricht für Dschinn und Menschen ein neues Zeitalter an. Ich habe schon einiges niedergeschrieben, Rekhyt, mein Buch wird in jeder Bibliothek der Welt einen Ehrenplatz bekommen. Auch wenn ich es vielleicht nicht mehr erlebe… dafür erlebst du es vielleicht, wer weiß.«
Seine Leidenschaftlichkeit überzeugte mich. Ich nickte. »Hoffentlich behaltet Ihr Recht.«
Statt einer Antwort schnippte er mit den Fingern und sprach die Entlassungsformel. Das Letzte, was ich sah, bevor ich mich davonmachte, war der ernste, vertrauensvolle Blick, mit dem er mir nachschaute.
Kitty
22
Als Kitty erwachte, wurde sie von grellem Licht geblen det. In ihrer Seite meldete sich ein stechender Schmerz. Sie blieb reglos liegen, dann hörte sie das Blut in ihren Schläfen hämmern, spürte, dass ihr offener Mund ganz trocken war. Die Handgelenke taten ihr weh. Sie roch den Gestank von versengtem Stoff und spürte um eine Hand einen kräftigen Druck.
Panik erfasste sie. Sie versuchte, Arme und Beine zu bewegen, hob den Kopf und öffnete mühsam die Augen. Diese Anstrengungen brachten ihr überall scheußliche Schmerzen und eine gewisse Aufklärung über ihre Lage ein. Ihre Hände waren gefesselt, sie lehnte sitzend an etwas Hartem und jemand kauerte neben ihr und sah ihr ins Gesicht. Der Druck um ihre Hand ließ unvermittelt nach.
»Können Sie mich hören? Alles in Ordnung?«
Kitty öffnete blinzelnd ein Auge und erkannte undeutlich einen Mann. Es war der Zauberer Mandrake und er lehnte sich zu ihr herüber. Auf seinem Gesicht malten sich Besorgnis und Erleichterung. »Können Sie sprechen? Wie geht es Ihnen?«
»Haben Sie eben meine Hand gehalten?«, fragte Kitty heiser zurück.
»Nein.«
»Dann ist es ja gut.« Allmählich gewöhnte sie sich an die Helligkeit. Sie öffnete beide Augen und schaute sich um. Sie saß auf dem Boden, mit dem Rücken an die Wand eines riesigen Saales mit Steinwänden und Steinfußboden gelehnt, älter und prächtiger als alles, was sie je gesehen hatte. Mächtige Säulen trugen eine Kuppeldecke, kostbare Teppiche bedeckten die Bodenfliesen. In Wandnischen standen Statuen vornehm und altmodisch gekleideter Männer und Frauen. Magische Kugeln schwebten unter der Decke und erzeugten ein ständig wechselndes Muster aus Licht und Schatten. In der Mitte stand ein blank polierter Tisch mit sieben Sesseln.
Vor dem Tisch ging ein Mann auf und ab.
Kitty versuchte, sich anders hinzusetzen, aber ihre Handfesseln behinderten sie. Etwas bohrte sich ihr in den Rücken. »Mist!«, fluchte sie leise, »können Sie…?«
Mandrake hielt die ebenfalls gefesselten Hände hoch, ihm hatte man sogar die einzelnen Finger mit dünner weißer Schnur zusammengebunden. »Rutschen Sie ein bisschen nach links, Sie lehnen an einem Marmorschuh. Vorsicht, Sie haben ordentlich was abgekriegt.«
Kitty rutschte ein Stück zur Seite und saß eine Idee bequemer. Sie sah an sich herunter. Ihr Mantel war auf einer Seite verrußt und weggesengt und auch die Bluse darunter hing in Fetzen. Aus der Mantelinnentasche ragte die angekokelte Ecke von Mr Buttons Buch. Wie war sie…?
Das Theater! Mit einem Mal fiel ihr alles wieder ein: die Explosionen in der Loge gegenüber, die Blitze, die Dämonenschar unten im Saal. Ja, und neben ihr ein blasser, verängstigter Mandrake, dem der kleine, dicke Mann ein Messer an die Kehle hielt. Sie hatte versucht…
»Ich bin froh, dass Sie noch leben«, unterbrach sie der Zauberer. Er war fahl im Gesicht, sprach aber ganz ruhig. An seinem Hals klebte geronnenes Blut. »Ihre Abwehrkräfte sind beeindruckend. Können Sie auch Trugbilder durchschauen?«
Kitty schüttelte verwirrt den Kopf. »Wo sind wir? Was ist…?«
»Im Statuensaal von Westminster. Hier finden die Kabinettssitzungen statt.«
»Aber was ist passiert? Warum sind wir hier?« Wieder erfasste sie Panik und sie zerrte verzweifelt an ihren Fesseln.
»Beruhigen Sie sich, man beobachtet uns.« Er deutete mit dem Kinn auf den schlaksigen, o-beinigen jungen Mann vor dem Tisch. Kitty kannte ihn nicht.
»Ich soll mich beruhigen?!«, brauste Kitty auf. »Sie spinnen wohl! Wenn ich die Hände frei hätte…«
»Haben Sie aber nicht und ich auch nicht, deshalb halten Sie mal eben den Mund, damit ich Ihnen erklären kann, was vorgefallen ist.« Er lehnte sich noch weiter zu ihr herüber. »Vorhin im Theater hat man die gesamte Regierung gefangen genommen. Sämtliche Minister. Makepeace hat einen ganzen
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