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Bartimäus 03 - Die Pforte des Magiers

Titel: Bartimäus 03 - Die Pforte des Magiers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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Dunkel. Als würde man in einen eiskalten Quellbach geworfen. Ja, sogar fast so, als käme man nach monatelanger Knechtschaft heim an den Anderen Ort. Die peinigenden Schmerzen fielen von mir ab wie eine Schorfkruste und ich fühlte mich plötzlich wieder heil. Erholt, runderneuert und neugeboren, alles auf einmal.
    Meine Substanz wallte in einer unbändigen Freude auf, wie ich sie seit meinen ersten Beschwörungen nicht mehr empfunden hatte, damals bei den alten Sumerern, als ich mich noch unverwüstlich wähnte. 3
(Was natürlich nicht lange währte. »Könntest du mal eben den Fruchtbaren Halbmond bewässern, Bartimäus?«–»Würdest du bitte mal da und dort den Euphrat umleiten?«–»Und wo du schon dabei bist, sei doch so nett und säe auf den Flutfeldern ein paar Millionen Weizenkörner aus. Danke.« Nicht mal ein Pflanzholz gab man mir mit. Als ich oben in Ur ankam, war ich von meinem Übermut gründlich kuriert. Der Rücken tat mir so was von weh! )
Mir war nicht bewusst gewesen, dass meine akute Kraftlosigkeit vor allem mit diesen aufgestauten Qualen zu tun hatte. Kaum war ich sie los, fühlte ich mich zehnmal stärker denn je. Kein Wunder, dass Faquarl und die anderen so geschwärmt hatten.
    Ich stieß einen Jubelschrei aus.
    Was sonderbar hallte, als säße ich in einer Flasche. 4
(Glaub mir, von der Akustik in Flaschen verstehe ich was. Das 6. Jahrhundert habe ich überwiegend in einem mit Wachs verschlossenen Sesamölkrug verbracht, den jemand ins Rote Meer geworfen hatte. Niemand hörte mich schreien. Als mich irgendwann ein alter Fischer befreite, war ich so verzweifelt, dass ich versprach, ihm ein paar Wünsche zu erfüllen. Ich kam in Gestalt eines rauchenden Riesen herausgezischt, ließ es tüchtig blitzen und krachen, verbeugte mich und fragte nach seinem Begehr. Der arme alte Knabe fiel vor Schreck tot um. Herzinfarkt. Jetzt müsste eigentlich die Moral von der Geschichte kommen, aber die fällt mir grade ums Verrecken nicht ein. )
    Dann ertönte noch ein Schrei, irre laut und von überall her. Ich wurde fast taub, kam aber so weit wieder zur Besinnung, dass ich endlich meine neue Umgebung inspizierte, die mich so vorbildlich vor schädlichen irdischen Einflüssen schützte. Ich will nichts beschönigen – es war und blieb ein Menschenkörper.
    Nathanaels Körper.
    Die Fischsuppe in der Terrine hatte mich notdürftig vor dem tödlichen Silber beschützt, Nathanael war um Längen besser. Meine Substanz steckte tief in seinen Knochen, seinem Blut und irgendwelchen komischen Schnüren, bei denen es sich vermutlich um Sehnen handelte. Ich ergriff vom Scheitel bis zur Sohle von ihm Besitz, spürte sein Herz schlagen, das Blut unablässig durch die Adern strömen und die Lunge arbeiten wie eine schnaufende Ziehharmonika. Ich sah elektrische Impulse kreuz und quer durch seine Hirnmasse schießen und (hoffentlich) ein paar brauchbare Gedanken erzeugen. Einen Augenblick war ich ganz ergriffen. Es war, als beträte man ein riesiges Gebäude, eine Moschee oder ein ähnliches Heiligtum, und mit einem Mal wird einem bewusst, dass die ganze kunstvolle, komplizierte Architektur im Grunde aus Lehm und ein paar Steinen besteht. Anschließend staunte ich gebührend darüber, dass ein dermaßen windiges Gebilde überhaupt funktionierte, so hinfällig war es, so schwach und unbeholfen, so erdverhaftet.
    Wie einfach wäre es gewesen, sich das Ganze anzueignen, sich diesen Körper wie einen Karren oder Streitwagen zunutze zu machen, ein bescheidenes Vehikel zwar, das mich aber überall hinbringen konnte! Eine leise Versuchung keimte auf. Ich hätte mich im Handstreich seines Hirns bemächtigen, seine albernen Nervenreize unterdrücken, mich selbst ans Schaltpult setzen und den Mechanismus steuern können. So hatten es Nouda, Faquarl, Naeryan und die anderen gemacht und sie hatten es genossen. Es war der Auftakt ihres Rachefeldzugs, ein erster kleiner Sieg und ein Sinnbild für ihren bevorstehenden Triumph über die ganze Menschheit.
    Für mich war das nichts.
    Auch wenn es noch so verlockend schien.
    Ich hatte Nathanaels Stimme noch nie besonders gemocht. Aus einer gewissen Entfernung war sie eben noch erträglich, aber jetzt kam es mir vor, als hätte man mich in einen voll aufgedrehten Lautsprecher gesperrt. Wenn er etwas sagte, dröhnte und vibrierte meine ganze Substanz.
    »Kitty!«, grölte er mit Posaunenstimme. »Ich spüre Riesenkräfte!«
    Ihre Stimme wurde auf dem Weg durch seinen Gehörgang ein wenig

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