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Bateman, Colin

Bateman, Colin

Titel: Bateman, Colin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein Mordsgeschaeft
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Asche aus den Kaminen der Krematorien.
Außerdem musste ich daran denken, wie verzweifelt diese Menschen gewesen sein
müssen, um an einer solchen Aufführung mitzuwirken - auf Geheiß und zur
Erbauung ihrer SS-Wachen, dieser Monster, die alles in ihrer Macht Stehende
taten, um den gesamten Stamm Davids auszulöschen. Diese armen geschundenen
Seelen, die sich kaum noch aufrecht halten konnten und deren nächste Angehörige
umgebracht wurden, während sie auf der Bühne agierten, gaben sich der Illusion
hin, dass sie, indem sie vorsprachen, probten und aufführten, etwas Gutes taten, an das man mit Stolz
zurückdenken konnte.
    War Anne Radek deshalb eine
Kollaborateurin? Vermutlich nicht. Doch sie war von der Arbeit freigestellt
und mit Extrarationen versorgt worden? Um was zu tun - Geige zu spielen? Für
sie war es einer der bedeutsamsten Augenblicke ihres Lebens. Hatten ihre
Mitgefangenen sie dafür gehasst? Unmöglich zu beantworten.
     
    Nach einer Weile kam Mutter in
die Küche. Wir redeten immer noch nicht miteinander, aber offensichtlich hatte
sie mich von oben gehört und sich die Mühe gemacht, mir eine aufbauende Notiz
zu kritzeln. Sie legte sie vor mir auf den Tisch und ging dann, um den
Wasserkessel zu füllen.
    Die
Botschaft lautete:
     
    Geh
endlich ins Bett, Du armseliges Würstchen.
     
    21
     
    Am nächsten Morgen fuhr ich
nervös zur Arbeit. Ich fahre immer nervös. Es sind einfach zu viele Autos
unterwegs, die Straßen sind viel zu eng, und Radler sollte man grundsätzlich
auf die Gehwege verbannen, wo sie qualifizierten Wagenlenkern keinen Schrecken
einjagen können. Doch meine Nerven lagen noch aus anderen Gründen blank.
Beispielsweise fragte ich mich, ob ich Alison je wiedersehen würde; außerdem
waren da Der
Fall der jüdischen Musikanten und seine Auswirkungen auf meine Gesundheit.
    Ich besitze ein Autoradio,
schalte es aber nur ein, wenn der Wagen geparkt ist, sonst lenkt es mich ab,
und ich laufe Gefahr, auf über fünfzig zu beschleunigen. Hätte ich das Radio in
diesem Moment jedoch eingeschaltet, hätte ich unzweifelhaft die
Neun-Uhr-Nachrichten gehört und wäre auf das vorbereitet gewesen, was kam.
    Als ich unter der Überführung
am West Link hindurchfuhr, bemerkte ich, dass das Graffito, das eigentlich
hätte entfernt werden sollen, inzwischen lautete: Albert Mclntosh ist jetzt
keine Schwuchtel mehr. Das war natürlich nicht im Sinne des Erfinders. Ich
würde mich der Sache annehmen müssen. Aber wenigstens stellte das ein
überschaubares Problem dar. Genau meine Kragenweite. Keine Nazis. Keine Morde. Nur ein Idiot
mit einem Pinsel. Es war ein Problem, dem ich mich widmen konnte, ohne dass es
mich vom Fahren ablenkte - ganz anders als das Alison-Problem oder das
Auftragskiller-Problem oder das Detektiv-Leiche-von-nebenan-Problem, die alle
zu einer gefährlichen Verkehrsvernachlässigung führen konnten.
    Der Verkehr auf der Botanic
Avenue war ungewöhnlich dicht. Als ich mich dem Laden näherte, bemerkte ich
jedoch, dass das gar nicht zutraf - er schlich einfach nur sehr langsam dahin,
weil die ganzen Gaffer aus ihren Autos die Polizeiaktivitäten verfolgten. Mit
Absperrband hatte man die Privatdetektei von Malcolm Carlyle abgeriegelt; ein
halbes Dutzend Streifenwagen parkten auf dem Gehweg davor oder in meiner - meiner! - Parkbucht. Außerdem stand da
ein Leichenwagen, an dem ein Leichenbestatter lehnte und rauchte. Typen von
der Spurensicherung rannten in weißen Overalls umher. Zwei Nachrichtenteams
und diverse Fotografen lauerten vor der Absperrung. Vor dem Eingang zu meinem
Laden wartete Jeff, er wirkte ziemlich angespannt. Hinter ihm klafften vier
mysteriöse rechteckige Löcher in meinen Rollläden.
    Es war zu viel, um alles auf
einmal zu verarbeiten.
    Ich fuhr einfach weiter.
    Oder hätte ich vielleicht den
Kein-Alibi-Lieferwagen in der Nähe des Ladens parken sollen, wo doch überall
Polizisten und Reporter herumschwirrten und auf der Seite meines Wagens Mord ist mein Geschäft prangte? Hätte man das nicht
sofort als eindeutiges Indiz dafür betrachtet, dass ich in den Mord an Malcolm
Carlyle verwickelt war? Wie viele Millisekunden wären mir geblieben, bevor mich
der lange Arm des Gesetzes am Schlafittchen gepackt hätte? Und es wäre nicht
mal ein besonders langer Arm vonnöten gewesen. Ein kurzer Arm hätte genügt. Ein
Stummelärmchen. Selbst ein Beamter, der unter hormonbedingten
Wachstumsstörungen im Schulter-Arm-Bereich litt, hätte mich sofort am Kragen
gepackt,

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