BattleTech 01: Grey Death I - Entscheidung am Thunder Rift
heraufgekommen war. Würde Claydon ihn verraten? Hatte er es schon getan?
Er duckte sich ins erste Vorzimmer der Bürosuite des Ersten Ministers und lehnte sich von innen gegen die Tür, um nach Luft zu schnappen. Sekunden später hörte er das Knallen der Stiefel auf dem Gang. Grayson atmete langsam aus, als die Geräusche erstarben. Er hatte gar nicht bemerkt, daß er den Atem angehalten hatte. »Grayson!«
Er öffnete die Augen und erblickte Mara.
»Mara! Was machst du hier?«
»Dasselbe könnte ich dich fragen. Ich arbeite hier.«
»Hör zu, Mara, etwas Furchtbares ist im Gange. Ich glaube, General Adel hat einen Putsch angezettelt. In diesem Moment redet er unten mit einem Kurita-Herzog, und nirgendwo ist etwas von General Varney oder der Miliz oder...«
Er verstummte und riß die Augen auf. Mara hatte hinter den reichverzierten Schreibtisch gegriffen, der den Raum beherrschte und einen eleganten Automatiknadler hervorgeholt. Der schmale, geschlitzte Lauf der Pistole war auf sein Herz gerichtet.
»Mara! Was ...«
»Du bist wirklich ein Narr. Ihr Commonwealther bildet euch ein, die ganze Milchstraße drehe sich nur um euch. Ihr denkt, ihr könntet Menschen und ganze Welten benutzen, ohne auf ihre Interessen mehr Gedanken zu verschwenden als auf ..«
»Wovon redest du, Mara? — Ich ... ich ...«
»Sei still!« schrie sie. Die Waffe weiter auf seine Brust gerichtet, griff sie erneut hinter den Schreibtisch, und Grayson hörte eine entfernte Alarmglocke ertönen.
Stannic erschien hinter seiner Tochter. Als er ihn in der prächtigen goldengrünen Uniform der Königlichen Garde sah, erinnerte sich Grayson, irgendwann gehört zu haben, daß Stannic ein Gardeoffizier im Ruhestand war. Auf seiner Brust trug er eine Vielzahl bunter Orden, einschließlich des Roten Sterns. »Was geht hier vor, Mara?«
»Ein Eindringling, Vater.«
»Ach, der junge Carlyle. Es tut mir leid, Sohn, aber so ist es wohl besser. Wir haben Ihre Hilfe zu schätzen gewußt, aber wie Sie sehen, ist sie nun nicht mehr vonnöten. Herzog Ricol wird sich von jetzt an um unsere Sicherheit kümmern.«
»Sir, Sie wissen nicht, was das heißt. Wir kämpfen seit Jahren gegen das Draconis-Kombinat und ...«
»Exakt. Ihre Leute kämpfen seit Jahren gegen sie und dementsprechend können Sie kaum in Anspruch nehmen, über eine... sagen wir einmal, unvoreingenommene Haltung ihnen gegenüber zu verfügen.«
Hinter Grayson sprang die Tür auf. Bewaffnete stürmten herein.
»Hier ist Ihr Gefangener«, stellte Mara fest. Graysons Arme wurden nach hinten gezogen und jemand hielt ihn fest, als er vornüber zusammenbrechen wollte. Er fühlte sich schwach ... wie betäubt.
Wie aus weiter Ferne hörte er General Adels Stimme. »Ich muß mich für die Störung entschuldigen, Majestät.«
Stannic lachte. »Kein Problem, General. Aber verlieren Sie ihn nicht noch einmal, ja?«
Lori war nur deshalb wach, weil sie nicht allein war. Garik Enzelman war bei ihr und die beiden hatten zwischen zärtlichen Berührungen und langen Küssen Erinnerungen an Sigurd ausgetauscht.
Nach dem Attentatsversuch hatte sie Garik besucht. Sie hatte gewußt, daß Grayson an jenem Tag zu Maras Wohnung unterwegs gewesen war, und ihr Schmerz und ihre Eifersucht hatten sie zu dem einzigen Menschen getrieben, mit dem sie reden, sich erinnern und ihre Einsamkeit etwas verdrängen konnte. Sie hatten über das Leben auf Sigurd geredet, dem Mond eines schwach leuchtenden Gasriesen. Sigurd, auf einer Umlaufbahn um einen hellen aber weit entfernten F4-Stern, war noch kälter und abweisender als Trellwan. Sie hatten über ihre Erlebnisse in der Armee Sigurds und von ihrer Zukunft hier auf Trellwan gesprochen.
Zu einer Entscheidung hatten sie sich nicht durchringen können, abgesehen davon, daß ihre Zukunft düster aussah. Enzelman wollte sich den Draconiern anschließen. Zumindest brauchte er sich dort nicht mehr mit dem Haß der Trellwaner auf Oberon herumzuschlagen. Lori war sich da nicht so sicher, aber sie hörte ihm trotzdem zu.
Garik war zwei Standardjahre jünger als Lori. Seine etwas grobe, unbeholfene Art und sein Mangel an Intellekt ließen keinen Zweifel in ihr, daß sie sich nie mit diesem Kerl eingelassen hätte, wenn er nicht der einzige Mann in mehreren hundert Lichtjahren Umkreis gewesen wäre, dem sie sich anvertrauen konnte.
Jedenfalls fast. Sie konnte ihm all das anvertrauen, was sie nicht irgendwo im Innern ihrer Schmerzen und Verwirrung mit aller Macht unterdrückte. Warum mußte
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