BattleTech 18: Das Antlitz des Krieges
Lichtkegel ihrer Taschenlampe hüpfte durch die Dunkelheit. Masters nahm die Imperator von der Schulter und folgte ihr. »Kommen Sie, Chick, bringen wir’s hinter uns.«
Der Wald lag schweigend. Abgesehen von ein paar Vögeln und dem Surren der Insekten herrschte Frieden. Masters hingegen war angespannt und starrte nervös in die Dunkelheit. Er fühlte sich nackt. Außerhalb seines Mechs durch eine Kampfzone zu laufen – das ergab keinen Sinn. Warum sollte er durch den dunklen Wald marschieren, geschützt nur durch seine Haut? Außerdem machte ihm der Wahnwitz dieses Krieges wieder zu schaffen. Erst schickte man Männer und Frauen als Köder aus, und dann blieb man seelenruhig im Feindesland, um die Leichen zu zählen. Die GFL brauchte nur aus der Deckung heraus auf freies Schußfeld zu warten.
Er stellte sich vor, wie sich der Krieg von Omen aus darstellte. Was mitten im Gefecht wahnsinnig erschien – die Vernichtungsjagden, die Abschußzahlen – , half den Bürokraten in der Stadt, den Krieg zu verstehen und zu verwalten. Sie zählten nicht mitten in einem nächtlichen Wald Leichen, sie fabulierten die Zahlen, die sie von den Soldaten bekamen, von neun bis fünf in der Sicherheit des Alten Walls. Für sie war der Krieg sehr sauber, sehr präzise, sehr logisch.
Er blickte hinüber zu Chick, der mißtrauisch die Bäume beäugte und ebenfalls auf einen Angriff wartete.
Valentine hatte keinerlei Bedenken dieser Art. Ihre Aufmerksamkeit war einzig und allein auf den Boden konzentriert, über den der Suchstrahl ihrer Taschenlampe huschte.
»Ah!« stieß sie leise aus.
Masters sah im Licht der Taschenlampe eine deutliche Blutspur auf dem Gras. »Was?«
»Blutspur«, meinte Chick tonlos.
Valentine gab etwas in die Tastatur ein.
»Zählt das?« fragte Masters erstaunt.
»Ja«, bestätigte Valentine und ging weiter.
»Wer auch immer die Blutspur hinterlassen hat, ist möglicherweise nur verwundet, nicht tot. Er könnte morgen wieder kämpfen.«
»Es zählt.« Ihre Stimme machte klar, daß sie zu diesem Thema nichts weiter zu sagen hatte.
Sie gingen weiter. Wenn sie eine Leiche oder eine Blutspur von mehr als fünf Metern Länge fanden, gab Valentine sie ein. »Was ist, wenn die Blutspur zu jemand gehört, dessen Leiche Sie bereits gezählt haben?« fragte Masters an einem Punkt.
»Die Anwesenheit statistischer Fehler wird als gegeben angenommen und in den Endergebnissen berücksichtigt.«
Darauf wußte Masters keine Antwort, also begnügte er sich mit: »Oh.«
Dann erreichten sie den Trupp, den Masters mit Kurzstreckenraketen, Impulslasern und MGs angegriffen hatte. Hier waren keine intakten Leichen zu finden. Die Mechwaffen hatten die Guerilleros zerrissen und über ein weites Gebiet zerstreut. Ein Teil der Körper war so zerfetzt, daß Masters ihre Teile kaum von den Baum- und Laubresten unterscheiden konnte.
Ein Schwindelgefühl ergriff Besitz von ihm, als er dieses Gemetzel betrachtete. Das hatte er mit seinem Mech angerichtet. Er hatte natürlich schon vorher Infanterie beschossen. Im Vierten Nachfolgekrieg, ganz am Anfang seiner Laufbahn als MechPilot, hatten sich einmal Infanteristen in selbstmörderischer Verzweiflung den Mechs seiner Einheit entgegengestellt. Schon das hatte seine Auslegung des Kriegerkodex bis an die Grenze belastet. Aber zumindest hatte es sich damals um eine echte Schlacht gehandelt, einen Kampf Mech gegen Mech. Der Angriff der Fußtruppen war eine letzte, verzweifelte Geste gewesen. Hunderte Infanteristen hatten sie angegriffen. Ein großangelegter Sturmangriff. Es hätte funktionieren können.
Aber das hier. Mit Mechs Jagd auf Soldaten zu machen, die nur von Panzerwesten geschützt waren. Wozu? Sicher, vom technischen Standpunkt gingen die Mechs keinerlei Risiko ein, und schwere Verluste des Gegners waren garantiert. Die Technologie siegte.
Aber welche Funktion hatten die Soldaten dabei? Da konnte man ja gleich zu den Tagen des Atomkriegs zurückkehren, zu Druckknopfkriegen ohne die Notwendigkeit der direkten Konfrontation. Oder zu Giftgas.
Wo blieb die Ehre?
Er sah auf die verwüsteten Körper hinab. So sollten Soldaten nicht sterben. In der Vergangenheit war es schon so gewesen, aber hatten sie denn keinen Fortschritt erzielt? Warum geschah das jetzt alles wieder?
Valentine wanderte gelassen durch die blutige Szenerie und gab Daten in ihren Compblock ein. Masters sah sich um. Es war schlichtweg unmöglich festzustellen, wie viele Menschen hier gestorben waren. Manche der Leichen waren nur
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