BattleTech 24: Auge um Auge
dorthin und schwang seinen gesunden Arm über den Rücken, um so beständig die Gegner, die ihn wie Schakale umkreisten, mit Feuer einzudecken.
Die Dreihundertsechzig-Grad-Sichtstreifen verliehen dem MechPiloten der Geister Augen im Hinterkopf. Aber wenn vor ihnen eine gewaltige Schlacht tobte – in deren flammenden Eingeweiden sie jederzeit beordert werden konnten -, neigten sie dazu, das Geschehen im Auge zu behalten.
Der letzte BattleMech der Streitkräfte, die von Westen her angriffen, war der eine und einzige Stadtkoloß der Geister. Sein Pilot sah zum erstenmal etwas von der Streitmacht der Söldner, die sich sechs Minuten zuvor einen Weg aus der U-Bahn-Station Siriwan-KuritaOpernhaus freigeschossen hatte, als Alacräns PPK seine Maschine von hinten in gelbes lonenfeuer tauchte.
Durch die Ankunft von Bodines vergleichsweise intaktem Jenny und den beiden großen Mechs von Bar-Kochbas Zweitem Bataillon sowie dadurch, daß sich mehrere andere Caballero-Maschinen aus der Schlacht im Westen zurückzogen, um der neuen Bedrohung entgegenzutreten, war der Angriff aus dem Yamato schnell aufgehalten. Drei leichte GeisterMechs verzogen sich in die Fabrikationsgebäude in der Nähe der Mech-Ställe im Norden, um den Kampf fortzusetzen, bis sie zur Strecke gebracht wurden. Der Rest ging einfach in Rauch auf.
Mit einem gequälten Ächzen hitzeverformten Metalls gegen aufprallverformte Panzerplatten wandte Kolonel Carlos Camacho BarKochbas Hammer Gottes das kraterübersäte Rumpfwerk des Großen Weißen zu.
»Warum haben Sie sich eingemischt, Rabbi?« fragte der Kolonel ruhig über die Komverbindung. »Mein Sohn ist tot.«
»Ihr Leid ist auch das meine«, sagte Bar-Kochba. »Vater Montoya wird eine Messe für Ihren Jungen lesen, und ich werde die Kaddish beten. Aber Sie müssen weitermachen. Das Regiment braucht Sie.«
Don Carlos seufzte. Er wollte nicht mehr sterben. Er wollte nur eine Gelegenheit, zu weinen und Kerzen am Leichnam seines Sohnes zu entzünden, und dann schlafen.
»Sie haben recht«, sagte er. »Ich habe eine Pflicht der einzigen Familie gegenüber, die ich noch besitze.«
Er ging auf eine andere Verbindung. Zumas volltönender Bariton drang an seine Ohren, er sang El Camino Real de Guanajuato.
»Zuma«, sagte er. »Entschuldige, wenn ich dein Lied unterbreche.« »Ja, mi coronel. Was wollen Sie?«
Don Carlos holte schaudernd Atem. »Sing für mich, Zuma«, sagte er und versuchte zu verhindern, daß er an seinen Tränen erstickte. »Sing Patsys Lied.«
Das rote Leuchten der Notfallanzeigen erfüllte das Cockpit von Taisa Eleanor Shimazus Mauler. Nicht aller Glanz kam von den Warnlampen. Sie konnte riechen, wie ihr Haar in der Hitze des Cockpits zu verschmoren begann. Sie war auf mittlere Reichweite mit zwei schweren Caballeros beschäftigt, und das einzige, was ihren Mech noch aufrecht hielt, war der Zorn in ihr. Zorn, von dem sie inständig wünschte, sie könnte ihn gegen die Söldnerkrieger ablassen, die ihre Freunde gewesen waren.
Du willst sehen, wie sich Sumiyamas Haut im Plasmafeuer kräuselt, dachte sie. Aber der Yakuzaboß saß sicher in seinem fernen Turm, über allem, und lachte. Unberührt, unberührbar.
Sie wußte schon, daß der Angriff vom Fluß fehlgeschlagen war. Der Warnschrei ihres Zweiten Bataillons – »Gaijin-Mechs hinter uns!« – hallte noch in ihren Ohren nach, als Unagi sie rief.
»Tai-sa«, sagte der Pilot des leichten Mech. »Schalten Sie auf die allgemeine Frequenz der Ca… der Gaijin.«
Sie tat es gerade noch rechtzeitig, um die Stimme des Obersten Azteken kühn wie eine Trompete dröhnen zu hören: »Presentando Patricia Camacho, la Capitana!«
Er begann zu singen, von einem anderen wolkigen Tag im Gebirge einer Welt, die nach dem christlichen Heiligen Jerome hieß.
»Ist das nicht das Lied, das ihr Kolonel sie nie singen lassen wollte?« fragte Unagi.
»Doch«, sagte Lainie fast unhörbar. »Ist es.«
Eine einzelne Träne rollte über ihre rechte Wange. Sie bildete sich ein, sie könne sie als Dampf verzischen hören, als sie unter den Rand ihres Neurohelms fiel.
Unagi sagte etwas. Sie hörte es nicht. Sie hörte nur noch Patsys Lied.
Es war der Trauermarsch für das Neunte Geisterregiment. Was auch immer heute noch geschah, ihre barschen, rauflustigen, schamlosen Yakuzajungs und -mädels konnten die Caballeros niemals schlagen.
Ihr blieb nur noch eins zu tun.
Cassie dachte, ihre Mannschaft hätte endlich einmal Glück. Über ihnen tauchten keine
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