BattleTech 44: Falke im Aufwind
gezogen. Sie hatte gelernt, Entscheidungen zu treffen, gelernt, Kompromisse einzugehen. Sie mußte Gegner bezwingen und Probleme lösen. Und sie hatte es getan. Jetzt würde sie sich mit den Vipern befassen, auf ihre persönliche Weise. Während sie versucht hatten, die Falken zu überrumpeln, hatten sie die Saat ihres Untergangs gestreut. Sie hatten ihr Zeit gegeben nachzudenken, Zeit zu planen.
Über die Jahrhunderte hatten die Stahlvipern den Jadefalken die Luft abgeschnürt. Aber das würde sich jetzt ändern. Jetzt war ihr Ende gekommen.
Auf der Blaue Riemen, einem anderen Landungsschiff der Flotte im Anflug auf Persistence, unterhielt sich Samantha Clees in ihrem Quartier mit Grelev. Seit seiner Zeit als ihr Adjutant auf Ironhold hatte sie seine Gelassenheit schätzen gelernt. Sie war nervös, und wie immer, wenn sie sich so fühlte, wanderte sie durch die Kabine.
»Ich kann nicht anders als die Waghalsigkeit der Vipern zu bewundern. Wie sie mehr oder weniger zeitgleich eine ganze Kette unserer Planeten überfallen haben.«
»Dreizehn, nicht wahr?« meinte Grelev. »Abergläubisch sind sie nicht, diese Vipern.«
»Zumindest sind sie keine Novakatzen. Ich bezweifle, daß sie sich die Mühe gemacht haben, die Angriffsziele zu zählen.«
»Ihr Pech. Und jetzt schlagen wir mit einer eigenen Angriffswelle zurück, frapos?«
»So wünscht es die Khanin.«
»Sie sind sich nicht sicher?«
»Die Strategie steht fest. Ich werde für mich und meine Einheit eine Rolle darin finden.«
»Aber es bleiben Zweifel?«
»Nur Sorgen. Die Vipern sind uns hier in der Besatzungszone zuvorgekommen. Das hat ihnen gestattet, ihre Position zu festigen. Wir starten aus der schwächeren Position. Es ist kein unüberwindlicher Nachteil, aber es bleibt ein Nachteil. Wir sind Jadefalken und werden damit fertig, besonders unter einer Khanin mit der Energie Marthe Prydes.« Samantha tigerte von einem Ende der winzigen Kabine zum anderen. »Auf Strana Metschty ist die Sache der Kreuzritter untergegangen, aber ich sage, die Jadefalken bleiben Kreuzritter. Diesmal führt Marthe Pryde uns auf ihren eigenen Kreuzzug.«
Grelev sah sie verwirrt an und bat um eine Erklärung.
»In alten Zeiten war ein Kreuzritter für seine Sache zu allem bereit. Er zog an jeden Ort, an dem er das Ziel seiner Suche vermutete, und tötete jeden, der ihm den Weg versperrte. Er belagerte die Heilige Stadt, solange er konnte, legte sie wenn nötig in Schutt und Asche. Das meine ich mit einem Kreuzzug. Marthe Pryde will die Jadefalken wieder erstarken lassen und den Invasionskorridor zurückerobern. Sie wird die Stahlvipern auslöschen, zumindest die in unserem Korridor, und zwar mit derselben Rücksichtlosigkeit, wie sie die Innere Sphäre bei der Vernichtung der Nebelparder gezeigt hat.«
»Keine Gefangenen, die Ernte verbrannt und der Totenacker übervoll.«
»Etwas in der Art, was immer du gemeint hast. Im Augenblick haben die Vipern den taktischen Vorteil und glauben sich auf bestem Wege, alles zu erobern. Aber das wird ihnen nicht gelingen. Es kann ihnen nicht gelingen. Nicht, solange Marthe Pryde uns führt. Ich bin ebenfalls eine Kreuzritterin. Ich glaube an unsere Khanin, und ich glaube, daß wir siegen werden, selbst wenn die Fakten gegen uns sprechen. Marthe Pryde ist vom heiligen Feuer besessen, und so seltsam es klingt, Grelev, das ist unser Vorteil.«
Grelev nickte. »Wir folgen, wohin immer sie uns führt.«
»Aye«, bestätigte Samantha. »Die Vipern, die ihren schmalen Splitter des Korridors für gefestigt halten, haben schon mindestens einen Fehler begangen. In ihrem Übermut haben sie uns gestattet, ohne Widerstand hierher vorzustoßen. Sie haben keine Ahnung, daß wir unterwegs sind, also erwarten sie keinen Gegenschlag. Sie haben auch nicht vorausgesehen, daß Vladimir Ward uns freies Geleit durch die Wolf-Zone gewähren würde. Woher auch? In weniger als zwanzig Stunden werden wir dem VipernKommandeur auf Persistence unser Batchall übermitteln, während die Khanin den Angriff auf Bensinger leitet. Von diesen Stützpunkten aus können wir durch den Korridor fegen und sie auf Waldorff, Zoetermeer, Sudeten und anderen Welten treffen.«
»Sie sind sehr selbstsicher, Khanin Samantha Clees.« »Ich bin Jadefalke. Natürlich bin ich selbstsicher. Wir haben seit dem Widerspruchskrieg schwere Zeiten durchlebt, aber jetzt spüren wir wieder Wind unter den Flügeln. Das garantiere ich dir, Grelev. Wir haben Aufwind.«
30
Landungsschiff Raptor, im Anflug auf
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