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Baudolino - Eco, U: Baudolino

Titel: Baudolino - Eco, U: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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ihr eigenes Wort verstanden, geschweige denn das der anderen. Es war ein majestätischer Strom von Steinen und Erdklumpen, die unaufhörlich vorbeizogen, und in dieser Flut konnte man große unförmige Brocken erkennen, unregelmäßige Platten, schneidend wie Klingen, breit wie Grabsteine, und dazwischen Kies, Fossile, Baumwipfel, Klippen und große Späne.
    Mit gleichbleibender Geschwindigkeit, als würden sie von einem heftigen Wind getrieben, purzelten Kalksteinblöcke übereinander, große Schiefersplitter türmten sich darüber, um immer dann ihren Ansturm zu mildern, wenn sie auf träge Kiesfluten stießen, während runde Kiesel, glattpoliert wie von Wasser durch ihr Dahingleiten zwischen größeren Steinen, in die Luft sprangen, mit trockenem Klacken zurückfielen und von Strudeln erfasst wurden, die sie selbst durch ihr Aneinanderstoßen erzeugt hatten. Inmitten und über dieser Anhäufung von mineralischen Massen bildeten sich Fontänen von Sand, Böen von Gips, Wolken von Steinchen, Schaumkronen von Bimssand und Bäche von Mörtel.
    Da und dort Spritzer von Alabasterglas oder Hagelschauer von Kohlen, und dann mussten die Reisenden sich das Gesicht bedecken, um nicht getroffen zu werden.
    »Was für ein Tag ist heute?« schrie Baudolino zu seinenGefährten. Und Solomon, der gewissenhaft jeden Sabbat verzeichnete, erinnerte daran, dass die Woche gerade erst begonnen hatte und es noch mindestens sechs Tage dauern würde, bis der Fluss das nächste Mal stillstehen würde. »Und wenn er dann stillsteht, kann man ihn nicht überqueren, ohne die Sabbatruhe zu verletzen«, schrie er verzweifelt. »Oh, warum hat der Herr, immerdar sei gesegnet der Heilige, in seiner Weisheit nicht gewollt, das dieser Fluss am Sonntag stillsteht, wo doch ihr Gojim so unfromm seid, dass ihr die Sonntagsruhe mit Füßen tretet!«
    »Mach dir keine Gedanken über den Sabbat«, brüllte Baudolino zurück, »wenn der Fluss stillstehen würde, wüsste ich schon, wie ich dich hinüber bekäme, ohne dass du eine Sünde begehen musst. Man müsste dich bloß auf ein Maultier packen, während du schläfst. Das Problem ist, wie du selbst gesagt hast: Wenn der Fluss innehält, erhebt sich eine Feuerwand am Ufer, und wir stehen wieder genauso dumm da ... Also hat es keinen Zweck, hier sechs Tage zu warten. Gehen wir flussaufwärts zur Quelle, vielleicht gibt es einen Übergang irgendwo hinter ihr.«
    »Was, was?« schrien die anderen, die kein Wort verstanden hatten, aber als sie ihn dann losreiten sahen, folgten sie ihm in der Hoffnung, dass er eine gute Idee hatte. Es war jedoch eine miserable, denn sie ritten sechs Tage und sahen zwar, wie sich das Flussbett verengte und der Fluss allmählich zu einem Wildbach und dann zu einem Bächlein wurde, aber zur Quelle gelangten sie erst am fünften Tag, nachdem bereits seit dem dritten eine Kette sehr hoher Berge am Horizont aufgetaucht und immer näher gerückt war, um schließlich fast senkrecht über den Reisenden aufzuragen, so dass sie kaum noch den Himmel sahen, eingezwängt in einen immer enger werdenden Kamin ohne jeden Ausgang, von dem aus man hoch, hoch oben nur ein kaum schimmerndes Wölkchen erblickte, das am höchsten Gipfel jener Höhen nagte.
    Hier, aus einer Spalte zwischen zwei Bergen, fast einer Wunde, sah man den Sambatyon entspringen: Ein Brodeln von Sandstein, ein Gurgeln von Tuff, ein Tröpfeln von Kalkstein, ein Klackern von Keilen und Splittern, einKollern von sich verklumpendem Erdreich, ein Scharren und Schieben von Schollen, ein Regen von Ton und Lehm verwandelten sich allmählich in einen gleichmäßigeren Fluss, der seine Reise zu irgendeinem grenzenlosen Sandozean begann.
    Unsere Freunde versuchten einen Tag lang, die Berge zu umgehen und einen Pass oberhalb der Quelle zu finden, aber vergebens. Schlimmer noch, sie wurden von jähen Erdrutschen bedroht, die sich vor die Hufe ihrer Pferde ergossen, sie mussten einen längeren Umweg nehmen, wurden von der Nacht überrascht an einem Ort, wo ab und zu brennende Schwefelbrocken den Hang herabgerollt kamen, weiter vorn wurde die Hitze unerträglich, und sie begriffen, dass sie, selbst wenn sie dort einen Weg durchs Gebirge finden würden, nach dem Ende ihrer Wasservorräte in jener toten Natur verdursten müssten, und so beschlossen sie umzukehren. Allerdings mussten sie dann entdecken, dass sie sich bei ihrem Hin und Her durch die Berge verirrt hatten, und so brauchten sie noch einen weiteren Tag, um ihren Ausgangspunkt

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