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Baudolino

Baudolino

Titel: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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durchbohren!« Baudolino lobte ihn und ging nach Hause, um sich sofort schlafen zu legen. In jener Nacht träumte er von der Begegnung am Vortag, und am Morgen sagte er sich, daß ein Traum allein nicht für das ganze Leben genügte.
    Er ritt erneut zu dem See, setzte sich ans Wasser und lauschte dem Gesang der Vögel, die den Morgen begrüßten, danach dem Zirpen der Zikaden in der Stunde, wenn der Mittagsdämon umgeht. Aber es war nicht heiß, die Bäume verbreiteten eine angenehme Kühle, und es machte ihm nichts aus, noch weitere Stunden zu warten. Endlich erschien sie.
    Sie setzte sich zu ihm und sagte, sie sei gekommen, um mehr von den Menschen zu hören. Baudolino wußte nicht, wo er anfangen sollte, und begann mit der Gegend, in der er geboren war, dann beschrieb er die Geschehnisse am Hofe Friedrichs, erklärte, was Reiche waren, wie man mit Falken zur Jagd ging, was eine Stadt war und wie man sie baute, er erzählte dieselben Dinge, die er dem Diakon erzählt hatte, allerdings unter Weglassung aller schlimmen und schlüpfrigen Geschichten, und während er redete, ging ihm auf, daß man von den Menschen sehr wohl auch ein liebevolles Bild zeichnen konnte. Sie hörte ihm zu, und ihre Augen glänzten in unterschiedlichen Farben, je nach ihrer Gefühlslage.
    »Wie schön du erzählst. Können alle Menschen so schöne
    Geschichten erzählen wie du?« Nein, räumte Baudolino ein, vielleicht erzähle er mehr und besser als seine Artgenossen, aber es gebe unter ihnen auch die Poeten, die noch besser erzählen könnten. Und er begann, eines der Lieder von Abdul zu singen.
    Sie verstand die Provenzalischen Worte nicht, aber sie war von der Melodie bezaubert, wie einst die Abkasianer.
    Jetzt glitzerten ihre Augen feucht.
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    »Sag mir«, bat sie ein wenig errötend, »gibt es bei den Menschen auch... Weibchen?« Es klang, als ob sie gehört hätte, daß die Worte, die Baudolino gesungen hatte, an eine Frau gerichtet waren. Aber gewiß doch, antwortete Baudolino, so wie die Skiapoden sich mit den Skiapodinnen zusammentun, so tun sich die männlichen Menschen mit ihren Weibchen zusammen, sonst könnten sie keine Kinder zeugen, und so sei es, rügte er hinzu, im ganzen Universum.
    »Das stimmt nicht«, sagte die Hypatia lachend, »die Hypatien sind nur Hypatien, und es gibt keine, wie soll ich sagen...
    Hypatiusse!« Sie lachte abermals, sehr belustigt von der Idee.
    Baudolino fragte sich, was er tun müßte, um sie noch einmal zum Lachen zu bringen, denn ihr Lachen war der süßeste Klang, den er je gehört hatte. Er war versucht, sie zu fragen, wie denn die Hypatien auf die Welt kämen, wenn es keine Hypatiusse gebe, doch er fürchtete, ihre Unschuld zu trüben. Allerdings fühlte er sich nun ermutigt zu fragen, wer und was denn eigentlich die Hypatien seien.
    »Oh«, sagte sie, »das ist eine lange Geschichte, und ich kann nicht so gut Geschichten erzählen wie du. Du mußt wissen, vor Tausenden von Jahren lebte in einer mächtigen Stadt fern von hier eine tugendhafte und weise Frau namens Hypatia. Sie unterhielt eine Schule für Philosophie, das ist die Liebe zur Weisheit. Aber in jener Stadt lebten auch böse Menschen, die sich Christen nannten, sie hatten keine Furcht vor den Göttern und haßten die Philosophie, und besonders unerträglich war ihnen, daß es eine Frau war, die die Wahrheit kannte. Eines Tages ergriffen sie Hypatia und ließen sie unter qualvollen Martern sterben. Nur einige ihrer jüngsten Schülerinnen ließen sie am Leben, vielleicht weil sie dachten, es seien unwissende Mädchen, die bloß als Dienerinnen bei ihr waren. Sie flohen, aber inzwischen waren die Christen überall, und so mußten sie lange reisen, bis sie an diesen friedlichen Ort hier gelangten.
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    Hier versuchten sie lebendig zu halten, was sie bei ihrer Lehrerin gelernt hatten, aber sie waren damals noch sehr jung gewesen und erinnerten sich nicht mehr an alles. So beschlossen sie, unter sich zu leben, von der Welt abgeschieden, um wiederzuentdecken, was Hypatia wirklich gesagt hatte. Denn Gott hat Spuren der Wahrheit im tiefsten Herzen einer jeden von uns gelassen, und es geht nur darum, sie auszugraben und im Licht der Weisheit erstrahlen zu lassen, so wie man das Fleisch einer Frucht von der Schale befreit.«
    Gott, die Götter, die ja wohl, wenn sie nicht der Christengott waren, falsch und lügnerisch sein mußten... Was erzählte diese Hypatia da, fragte sich Baudolino. Aber es war ihm nicht wichtig, er brauchte sie

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