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Baudolino

Baudolino

Titel: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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bloß reden zu hören, und schon war er bereit, für ihre Wahrheit zu sterben.
    »Sag mir nur eines«, unterbrach er sie. »Ihr nennt euch Hypatien, nach dem Namen jener Hypatia, soviel habe ich verstanden. Aber wie heißt du?«
    »Hypatia.«
    »Nein, ich meine du als du, verschieden von einer anderen Hypatia... Ich meine, wie nennen dich deine Gefährtinnen?«
    »Hypatia.«
    »Aber wenn du heute abend an den Ort zurückkehrst, wo ihr lebt, und du begegnest dort einer Hypatia vor den anderen. Wie begrüßt du sie?«
    »Ich wünsche ihr einen guten Abend. So ist es üblich.«
    »Ja, aber wenn ich nach Pndapetzim zurückkomme und
    begegne, sagen wir, einem Eunuchen, dann sagt er zu mir: Guten Abend, o Baudolino. Du sagst: Guten Abend, oh... was?«
    »Wenn du so willst, sage ich: Guten Abend, Hypatia.«
    »Ihr heißt alle Hypatia?«
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    »Natürlich, alle Hypatien heißen Hypatia, keine unterscheidet sich von den anderen, sonst wäre sie ja keine Hypatia.«
    »Aber wenn eine Hypatia dich sucht, zum Beispiel jetzt
    gerade, wo du nicht dort bist, und fragt eine andere Hypatia, ob sie die Hypatia gesehen hat, die mit einem Einhorn namens Akazio herumläuft, wie sagt sie dann?«
    »Genau so, wie du gesagt hast, sie sucht die Hypatia, die mit dem Einhorn namens Akazio herumläuft.«
    Hätte Gavagai so geantwortet, wäre Baudolino versucht
    gewesen, ihm eine zu langen. Nicht so bei Hypatia, bei ihr dachte Baudolino im Gegenteil, wie wunderbar ein Ort sein mußte, wo alle Hypatien Hypatia hießen.
    »Ich brauchte einige Tage, Kyrios Niketas, bis ich begriff, wer die Hypatien wirklich waren...«
    »Also habt ihr euch weiter gesehen, nehme ich an.« »Jeden Tag, oder fast. Daß ich nicht mehr darauf verzichten konnte, sie zu sehen und ihr zuzuhören, wird dich nicht überraschen, aber mich erfüllte mit Staunen und mit einem unendlichen Stolz, daß auch sie glücklich war, mich zu sehen und mir zuzuhören. Ich war... ich war wieder wie ein Kleinkind geworden, das nach der Mutterbrust sucht und weint, wenn die Mutter nicht da ist, weil es furchtet, daß sie nicht mehr zurückkehrt.«
    »Das kommt auch bei Hunden vor, wenn ihr Herr nicht da ist.
    Aber diese Sache mit den Hypatien macht mich neugierig.
    Vielleicht weißt du ja, oder weißt es auch nicht, daß jene erste Hypatia wirklich gelebt hat, wenn auch nicht vor Tausenden von Jahren, sondern vor ungefähr acht Jahrhunderten, und zwar im ägyptischen Alexandria, zu der Zeit, als das Reich von
    Theodosios und dann von Arkadios regiert wurde. Sie war tatsächlich, so wird berichtet, eine Frau von großer Weisheit, versiert, in Philosophie, in Mathematik und Astronomie, und sogar die Männer hingen ihr an den Lippen. Während unsere
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    heilige Religion inzwischen in allen Teilen des Reiches triumphierte, gab es dort noch einige Widerspenstige, die das Denken der heidnischen Philosophen lebendig zu halten
    versuchten, besonders die Philosophie des göttlichen Platon, und ich bestreite nicht, daß sie gut daran taten, auch an uns Christen jenes Wissen weiterzugeben, das sonst verlorengegangen wäre.
    Nur daß dann einer der größten Christen seiner Zeit, der später ein Heiliger der Kirche wurde, Kyrillos, ein sehr gläubiger, aber auch sehr unnachgiebiger Mann, die Lehre der Hypatia als das Gegenteil des Evangeliums ansah und eine Meute von
    Ignoranten und blutrünstigen Christen auf sie hetzte, Leute, die gar nicht wußten, was sie predigte, aber überzeugt waren, daß sie, wie Kyrillos und andere bezeugten, eine Lügnerin und liederliche Person sei. Vielleicht waren falsche Gerüchte über sie verbreitet worden, auch wenn es wahr ist, daß die Frauen sich nicht in theologische Dinge einmischen sollten. Kurzum, sie schleiften sie in einen Tempel, zogen sie nackt aus, töteten sie und zerfetzten ihren Leib mit Scherben zerbrochener Vasen, danach verbrannten sie ihren Leichnam auf einem
    Scheiterhaufen ... Viele Legenden haben sich um sie gebildet.
    Es heißt, sie sei wunderschön gewesen, aber sie habe sich der Jungfräulichkeit geweiht. Einmal habe sich ein Jüngling wahnsinnig in sie verliebt, und sie habe ihm ein Tuch mit ihrem Menstruationsblut gezeigt und gesagt, dies allein sei das Objekt seiner Begierde, nicht die Schönheit als solche... In Wirklichkeit hat nie jemand genau erfahren, was sie lehrte. Alle ihre Schriften sind verlorengegangen, die ihre Worte gesammelt hatten, sind umgebracht worden oder hatten versucht, das Gehörte zu vergessen. Alles, was wir

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