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Bauernjagd

Bauernjagd

Titel: Bauernjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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inzwischen, wer das getan hat?«
    »Leider noch nicht.«
    »Ist meine Mutter im Haus?«
    Er nickte, und sie machte Anstalten hineinzulaufen.
    »Ich muss Ihnen allerdings noch ein paar Fragen stellen.«
    »Hat das nicht Zeit? Meine Mutter …«
    »Es geht ganz schnell. Hatte Ihr Vater unter den Jägern irgendwelche
Feinde? Gab es vielleicht Streitigkeiten?«
    Sie schüttelte irritiert den Kopf. »Er hat sich mit allen gut
verstanden. Ich verstehe das gar nicht. Er ist doch nur ein einfacher Bauer.«
Sie bemerkte ihren Fehler. »Er war …«, korrigierte sie sich benommen. »Wer
sollte denn so etwas tun?«
    »Gab es Streitigkeiten innerhalb Ihrer Familie?«
    Sie wirkte irritiert. »Nein.«
    »Wie war das Verhältnis Ihres Vater zu seiner Schwägerin Hedwig
Tönnes?«
    »Nun ja. Meine Eltern konnten Tante Hedwig noch nie besonders gut
leiden. Aber Sie denken doch nicht etwa …? Das ist Unsinn. Tante Hedwig würde
so etwas niemals tun.«
    »Ihre Tante hat vor ein paar Stunden mit einem Jagdgewehr auf
Polizisten geschossen. Die können froh sein, dass nichts passiert ist. Sie
sollte einfach nur eine Zeugenaussage machen.«
    Das schien sie nicht zu überraschen. »Tante Hedwig eben. Man legt
sich besser nicht mit ihr an. Sie ist ein bisschen eigen, und die Polizei
konnte sie noch nie leiden. Trotzdem ist es völlig ausgeschlossen, dass sie
meinen Vater …«
    »Was genau war der Grund für die Streitigkeiten zwischen Ihren
Eltern und Ihrer Tante?«
    Sie wurde ungeduldig, blickte immer wieder zum Haus.
    »Sie mochten sich einfach nicht, schon als Kinder konnten meine
Mutter und Tante Hedwig nichts miteinander anfangen. Ich meine, so etwas gibt
es doch in jeder Familie. Deswegen wird doch kein Mensch ermordet.«
    Du würdest dich wundern, wie viele Menschen deswegen ermordet
werden, dachte er. Wahrscheinlich sogar die meisten.
    »Bitte, darf ich jetzt zu meiner Mutter? Können wir das nicht später
machen? Sie braucht mich jetzt.«
    »Es wird später ein Kollege vorbeikommen, um Sie noch mal zu
befragen. Ihre Schwester wird dann hoffentlich auch eingetroffen sein. Kennen
Sie einen Arzt, den Sie rufen können, wenn Ihre Mutter Hilfe braucht?«
    »Wir kennen unseren Hausarzt aus Altenberge privat. Ich werde ihn
gleich anrufen, meine Mutter hält große Stücke auf ihn. Kann ich jetzt gehen?«
    Er nickte und sah ihr nach, bis sie im Haus verschwunden war. Dann
stieg er in seinen Wagen und machte sich auf den Weg nach Steinfurt.
    Annika fand es komisch, für Clemens Röttger Blumen zu kaufen.
Dass er jetzt hilflos im Krankenhaus lag und sie ihn besuchen fuhr, kam ihr
vor, als spielten sie plötzlich mit vertauschten Rollen. Sonst war er es immer
gewesen, der sich um sie gekümmert hatte.
    Der Krankenhausflur war in ein helles Licht getaucht, an den Wänden
hingen bunte Bilder, alles war warm und freundlich gestaltet. Dennoch herrschte
eine drückende Stimmung, wie in allen Krankenhäusern, dazu kam dieser typische
Geruch. Sie hasste das alles. Vor Clemens’ Zimmertür blieb sie stehen und
sammelte sich, dann klopfte sie an und trat ein.
    Das Erste, was sie erblickte, war ihr Nachbar Melchior Vesting. Er
saß am Bett und empfing sie mit einem finsteren Blick. Überrascht blieb sie in
der Tür stehen. Er war der Letzte, mit dem sie hier gerechnet hätte. Keiner in
der Nachbarschaft hatte mit den Vestings zu tun, sie lebten völlig zurückgezogen
auf ihrem verfallenen Hof.
    »Anni!«, erklang Clemens’ Stimme. »Wie schön, dich zu sehen.«
    Er lag auf seinem Krankenbett und wirkte noch immer blass und
ausgezehrt. Wenigstens ragten keine Schläuche mehr aus seinem Körper, und sein
Lächeln war etwas lebendiger. Vor ein paar Tagen noch hatte er so hilflos ausgesehen,
dass sie am liebsten weggelaufen wäre.
    Melchior Vesting stand auf und nickte Clemens zu.
    »Ich werde dann mal.« Er bedachte Annika mit einem weiteren
finsteren Blick und verschwand auf dem Flur.
    »Du hast mir Blumen mitgebracht?«, sagte Clemens, als sie allein
waren. »Das wäre doch nicht nötig gewesen.«
    Sie blickte sich unsicher um.
    »Soll ich eine Vase holen?«
    »Später. Setz dich erst einmal zu mir.«
    Er klopfte schwach mit der Hand auf sein Bett, zögernd nahm sie auf
dem Matratzenrand Platz.
    »Wie du siehst, geht es mir schon wieder etwas besser«, sagte er und
lächelte. »Ich habe großes Glück gehabt.«
    Ein umherfliegendes Messerteil war nur knapp an seinem Herzen
vorbeigeschrammt. Er hatte viel Blut verloren, es grenzte an ein Wunder,

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