Bauernopfer: Lichthaus' zweiter Fall (German Edition)
sich darum. Wenn das so weitergeht, werden wir über Personenschutz reden müssen.«
Müllers Gesicht blieb unverändert, und nur wer ihn gut kannte, sah daran, wie sich seine Nase leicht an der Spitze kräuselte, wie sehr ihn Brauckmanns Anweisung ärgerte. Der Staatsanwalt wirkte angegriffen, da ein großer Teil des Drucks der Öffentlichkeit bei ihm abgeladen wurde. Die Zeitungen, die vor ihm auf dem Tisch lagen, titelten ähnlich: »Brutaler Mord an Regierungsbeamten – Die Polizei tappt im Dunkeln!«
Nach einer überflüssigen Kunstpause, die allen den Nerv raubte, wechselte der Kriminaldirektor das Thema. Seine Brille war wie üblich bis zur Nasenspitze hinuntergerutscht, was ihm den Anschein eines peniblen Buchhalters gab. »Also Herr Kollege, wo stehen wir? Die Ergebnisse aus Ihrer Soko erscheinen mir mehr als dürftig.«
Lichthaus sparte sich den Hinweis auf seine Erkrankung. Er hatte die Nacht ruhig geschlafen, war jedoch, als Claudia ihm erst am Morgen erzählte, was vorgefallen war, außer sich vor Wut und Sorge gewesen und ins Präsidium gehetzt. Viele andere wären den Tag noch im Bett geblieben, und er saß nun hier und musste die Stänkereien von Müller aushalten, der den Druck von oben an ihm abzuarbeiten schien. Doch er bremste sich, wollte nicht seine Energie für diesen Sesselfurzer verschwenden. So begnügte er sich mit einem kurzen Blick zu Brauckmann, der nur ungläubig den Kopf schüttelte und begann: »Nun, da will ich Sie mal auf Vordermann bringen, Chef.« Er gab dem letzten Wort eine aufreizend ironische Betonung, konzentrierte sich aber dann auf die Fakten. »Görgen und Kaiser müssen in irgendetwas verwickelt sein, was der Auslöser gewesen ist. Aber worin und auf welcher Ebene? Privat oder beruflich? Suchen wir einen Einzeltäter oder eine Gruppe? Der Mann spricht schließlich wiederholt von wir . Ist die Vergeltung persönlich motiviert, oder steckt organisierte Kriminalität dahinter? Was sollen diese Drohanrufe?«
»Sie sollten den Fokus verengen, aber nicht blindlings losrennen.« Müller fixierte Lichthaus wie einen ungezogenen Schüler. »Wir haben ja schon nach religiös gepolten Tätern gesucht und sind einer Finte auf den Leim gegangen. Was, wenn sie uns mit diesen Anrufen weiter an der Nase herumführen wie einen Bär in der Arena?«
Lichthaus trat ans Whiteboard, das mittlerweile mit einem Spinnennetz an Linien überzogen war. »Wir können uns nicht fokussieren, denn es zeigt sich kein Muster, keine Verdichtung und keine Richtung. Da der Betrachtungszeitraum weit über ein Jahrzehnt zurückreicht, konnten wir bis jetzt nicht einmal einen Bruchteil der Informationen abarbeiten. Wir haben darüber hinaus natürlich schon Ergebnisse, aber es gelingt uns nicht, die losen Fäden zusammenzuführen.«
Er tippte mit dem Finger auf das Foto von Dr. Egbert Kaiser. »Fangen wir mit ihm an. Laut seinem Referenten, ist er bestochen worden. Dieser Molitor hat eine Geldübergabe beobachtet, außerdem hat er Verbindungen zum Bundesamt für Landwirtschaft und Ernährung aufgezeigt, einer relevanten Behörde, die Ökobetriebe und deren Kontrollstellen zulässt, wodurch wir wieder in Richtung Görgen kommen. Da Kaiser Daten über die Sonderprüfungen auf den Höfen besessen und Schwarzgelder in erheblichem Umfang erhalten hat, liegt es nah, dass er in krumme Geschäfte verwickelt gewesen ist. Konkret ist das jedoch noch nicht nachweisbar. Sollte eine mafiöse Organisation dahinterstecken, könnte der Mord eine gezielte Strafaktion gewesen sein, die andere Beteiligte abschrecken soll. In diesen Zusammenhang passen auch die Drohanrufe. Doch habe ich meine Zweifel, wenn ich die Diktion des Anrufers höre. So redet kein Mafioso.«
Müller ließ nicht locker: »Es sei denn, man hat Sie erneut auf die falsche Spur gelockt wie schon bei Alexander Görgen.«
»Schon, ich jedenfalls glaube nicht so richtig daran. Mir ist die Art der Tötung zu grausam, zu emotionell, nicht rational genug für solche Leute. Gestern nun ist aber der Reporter, von dem einige unserer Informationen stammen, brutal zusammengeschlagen worden. Immerhin haben wir eine Beschreibung der Schläger, die dann doch wieder auf organisierte Kriminalität schließen lässt, was zu Kaisers Verwicklungen passt. Nur, was ist mit Görgen? Es wurde nicht der Hauch eines Hinweises gefunden, dass er in den Betrügereien mit drinhängt. Der Hof ist anscheinend sauber. Das würde bedeuten, das Motiv muss im Privaten liegen. Und da
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