Bauernopfer: Lichthaus' zweiter Fall (German Edition)
sollen.«
»Red keinen Unsinn. Das Geschoss wäre durch dich durch und dann in sie hinein.«
Siran schüttelte den Kopf. »Verdammt noch mal! Wie konnte das bloß passieren?« Dann schwieg er und starrte in die Landschaft.
*
Auf dem Alleenhof hatte angespannte Routine Einkehr gehalten. Die weißen Gestalten der Spurensicherung beherrschten ein weiteres Mal die Szene, doch die Mienen waren düster. Spleeth zog Lichthaus zur Seite, als der mit Siran auf dem Hof eintraf. Sein Adamsapfel hüpfte unangenehm auf und ab, als er nun sprach: »Wir können Steinrauschs Waffe nicht finden. Was soll ich tun?«
Lichthaus war erstaunt, dass der Techniker am Dienstweg vorbei Dinge klären wollte, die zu Problemen führen konnten, aber dann erinnerte er sich daran, dass Spleeth und Steinrausch gemeinsam auf der Polizeischule gewesen waren, und verstand die Loyalität. Er nickte matt. »Richtung Hupperath liegt der Pkw des Täters. Die Karre ist schrottreif, er selbst schwerstverletzt. Holgers Dienstwaffe müsste im Wrack sein. Die Verkehrspolizei wartet ohnehin auf ein Team von euch.«
Spleeth atmete auf und rief, schon während Lichthaus zum Hofladen weiterging, nach zwei Mitarbeitern, die er losschickte.
Im Büro gleich neben dem Verkaufsraum saßen Müller und Brauckmann mit Steinrausch zusammen und befragten ihn zu den Vorfällen. Das Gespräch zog sich in die Länge. Als die Tür endlich aufging, erschien der Schatten des Kollegen gebeugt im Rahmen, aber noch ehe er den Raum verlassen konnte, hielt Müllers kalte Technokratenstimme ihn auf: »Das war Dilettantismus pur. Auch wenn der Staatsanwalt Ihnen diese Wahrheit erspart hat, werden Sie sich verantworten müssen.«
Steinrausch nickte schwach und zog die Tür zu. In Lichthaus keimte die Wut. Er wollte aufspringen und hinübergehen, doch der altgediente Beamte winkte nur ab und trottete mit hängendem Kopf hinaus. Lichthaus kannte solche Schuldgefühle ebenso gut wie Müllers perfide Art und er wäre hinterhergelaufen, wenn Brauckmann ihn nicht hereingebeten hätte.
Im Büro hatte sich kaum etwas geändert. Die beiden saßen über Eck an dem Schreibtisch mit dem Familienfoto. Für ihn stand ein Stuhl gleich gegenüber, der auf ihn wirkte wie eine Anklagebank. Er begrüßte den Staatsanwalt, der sich in zerknittertem Hemd, mit aufgezogener Krawatte wieder setzte, und fasste ungefragt das Geschehene zusammen, um anschließend viele Detailfragen Brauckmanns zu beantworteten. Der war in der Küche gewesen und machte einen zutiefst geschockten Eindruck, während Müller wie immer jedes Gefühl hinter seiner aufgesetzten Neutralmiene verbarg oder, wie Lichthaus vermutete, nicht zu solchen Emotionen fähig war. Eine Untersuchung der Vorgänge war unausweichlich, und man riet ihm durch die Blume, seine Aussagen mit denen der anderen abzustimmen. Sie sprachen noch kurz über die lauernden Reporter, die wie bisher ausschließlich von der Staatsanwaltschaft und der Pressestelle des Präsidiums informiert werden sollten. Er blieb wortkarg und verabschiedete sich schnell mit dem Hinweis auf eine Besprechung der Fahndungsgruppe am Abend. Vorher wollte er jedoch ins Krankenhaus, um nach Wessler und Görgen zu sehen. Lichthaus griff bereits nach dem Türgriff, als Müller anmerkte: »Schon der zweite tote Kollege bei einem Ihrer Einsätze.«
Lichthaus wirbelte herum und wurde ansatzlos grob: »Was soll das? Was wollen Sie damit sagen?«
Brauckmann zuckte heftig zusammen, und selbst Müller wurde etwas blasser, als er es ohnehin war. Er schob die Brille auf seiner schmalen Nase nach oben und schaute Lichthaus in Oberlehrermanier an, die Stimme glasklar und hart: »Sie wissen doch genau, wovon ich spreche.«
»Noch mal, Müller, was soll das? Alte Geschichten aufwärmen? Die Vorfälle heute sind in keiner Weise mit dem Mord an unserem Kollegen zu vergleichen«, er zischte jetzt, rang um Beherrschung, um seinen Chef nicht zu ohrfeigen, »an dem Sie ja außerdem nicht ganz unschuldig waren.«
Der sprang auf. »Ich verbitte mir ...«
Die schlimmen Erinnerungen, die zu unterdrücken er bei Hupperath noch in der Lage gewesen war, brachen auf wie stinkende Geschwüre. Lichthaus brüllte los: »Es ist mir scheißegal, was Sie sich verbitten! Wenn Sie wieder versuchen, mich hinzuhängen, bohre ich die alte Geschichte auf, darauf können Sie sich verlassen, und ein weiteres Mal werde ich nicht stillhalten!« Brauckmann schaute geschockt von einem zum anderen. Er verstand kein Wort.
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