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Bauernopfer

Bauernopfer

Titel: Bauernopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Peter
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gehörten einer Daily-Soap-Generation an, deren Informationsbedürfnis sich auf Musikvideos, Vorabendserien, Castingshows und abendfüllende Wettstreite zwischen selbstgefälligen Freizeitsportlern und einem breitgrinsenden Moderator beschränkte.
    Nur Meister und Vorarbeiter sowie einige langjährige Mitarbeiter kannten den Zusammenhang zwischen dem Namen Bichler und der künftigen Entwicklung der Firma. Die Deadline zum Ende des Jahres war jedoch nicht einmal in diesem Personenkreis allen bekannt. Charly hatte festgestellt, dass der Altersschnitt der Firma Gessler relativ hoch lag. Es würde wohl für die meisten der Mitarbeiter ein Problem darstellen, beim Verlust ihres Arbeitsplatzes eine neue Stelle zu finden. Der Großteil der Belegschaft sah aber seinen Job nicht gefährdet.
    Ansonsten brachte die Aktion eine Flut von Gerüchten an den Tag. Vorwiegend – aber nicht ausschließlich – die Arbeiterinnen drucksten herum, wenn ihnen die Frage gestellt wurde, ob sie sonst noch irgendetwas wüssten, was den Ermittlungen dienen könnte. Sie machten dann Andeutungen, zierten sich, hörten nach halben Sätzen auf zu sprechen, senkten den Blick und erst nach der Zusicherung, alle Informationen vertraulich zu behandeln, gaben sie ihre Geheimnisse preis. Dann war zu erfahren, wer gerade aktuell mit wem liiert war, wer früher ein Techtelmechtel hatte, wer während der Arbeitszeit ab und zu gemeinsam verschwand oder wer ein Verhältnis mit wem anstrebte und dazu die Angebetete bei der Erstellung von Schicht- und Arbeitsplänen bevorzugte. Immer wieder wurde in diesem Zusammenhang auch der Name Ignaz Gessler genannt, von dem man anscheinend annehmen durfte, dass er dem weiblichen Teil seiner Belegschaft ein starkes Interesse entgegenbrachte. Am Ende der Aktion hatte Charly den Eindruck, in der Firma Gessler habe jede mit jedem schon ein Affäre gehabt und der Chef reihe sich dabei ohne Standesdünkel zwischen seinen Mitarbeitern ein. In Bezug auf Gessler wurde sogar von einer Abtreibung vor einigen Jahren gesprochen, die damals eine junge Kroatin hatte vornehmen müssen, nachdem sie verhängnisvoll in das Beuteschema des Firmenbesitzers gefallen war. Gessler habe bezahlt und die Kroatin habe danach die Firma verlassen. Das Ganze sei jedoch ein Tabuthema und wenn man Näheres wissen wolle, müsse man die Chefsekretärin fragen.
    Obwohl der kleine Raum neben dem Büro des Herrn Gessler in den Gerüchten eine nicht unwichtige Rolle spielte, gaben nur wenige zu, das Zimmer bereits selbst gesehen zu haben. Einer davon war Bertl Hack. Der AH-Fußballer war Vorarbeiter in der Fertigung, und wenn er zusammen mit Gessler an einer Maschine herumschraubte und dem Chef anschließend in dessen Büro folgte, um einen Plan einzusehen oder einen Arbeitsablauf durchzusprechen, dann nutzte Gessler das Waschbecken in dem Nebenraum zum Händewaschen. Aus diesem Grund kannte jeder Vorarbeiter und jeder Meister das Nebenzimmer. Wer sonst noch wusste, dass man neben dem Büro ein Zimmer mit Bett finden konnte, vermochte Bertl nicht zu sagen.
    Der Fußballer erfüllte alle Kriterien eines Tatverdächtigen in dieser Sache. Er kannte Bichler und wusste von den Abhängigkeiten und den Zusammenhängen zwischen Bichler und Gessler. Er kannte die mögliche Zukunft der Firma Gessler und gehörte aufgrund seines Alters zu der Gruppe, für die sich der Verlust des Arbeitsplatzes existenzbedrohend ausgewirkt hätte. Er würde so schnell nichts Neues finden, stotterte aber immer noch Kredite für sein Häuschen ab. Das Zimmer, in dem die Tatwaffe aufbewahrt worden war, war ihm bekannt; außerdem aber konnte er auf Anhieb nicht sagen, wo er sich am betreffenden Samstag aufgehalten hatte.
    »Denk noch mal nach, Bertl«, forderte ihn Charly auf. »Bei dir passt viel z’am.«
    Doch Hack antwortete nicht sofort. Er sah Charly mit verschränkten Armen an, und der Kommissar glaubte, irgendetwas Verschlagenes in dem Blick zu erkennen. »Ham ma’s dann?«, fragte der Vorarbeiter schließlich.
    »Bis aufs Alibi, ja.«
    Hack stand auf, versetzte dem Stuhl einen Stoß und stapfte zur Tür.
    »Hey, Bertl, was is’ los?«
    Statt einer Antwort knallte Hack die Tür zu.
     
    Auf dem Weg zum Parkplatz stellten sie fest, dass das wuchernde Unkraut am Werkstor und am Zaun vollständig verschwunden war. Zudem hatte jemand begonnen, das verrostete Tor abzuschleifen und es frisch zu streichen.
    »Na ja, wenigstens haben wir unsere Hausaufgabe erledigt und alle befragt«,

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