Baustelle Demokratie
bürgerschaftliche Engagement als Impulsgeber für politische Reformprozesse und soziale Innovationen maßgeblich unterstützen. Als Notnagel für staatliches Versagen taugen sie hingegen ebenso wenig wie andere Organisationen der Bürgergesellschaft.
b) Gelegenheit macht Engagement – das Problem der Infrastruktur
Infrastruktur für bürgerschaftliches Engagement – hinter dieser sperrigen Begrifflichkeit verbergen sich ganz handfeste Dinge, die für das Engagement unerlässlich sind. Eine aktive Bürgergesellschaft braucht – neben dem Unterstützungswillen der politischen Akteure – Freiwilligenagenturen, kommunale Anlaufstellen für Engagement, öffentliche Versammlungsorte, klare Förderstrukturen, Nachbarschaftsheime, Jugendtreffs und andere Einrichtungen. Die Freiwillige Feuerwehr vor Ort ist genauso Bestandteil dieser Infrastruktur wie die Leistungen der freien Wohlfahrtspflege (Sozialstationen, Pflegestützpunkte, Hospize usw.). Dass es eine solche Infrastruktur für Engagement geben muss, ist unbestritten. Fraglich ist nur ihre Finanzierung, was jedoch in Zeiten der kommunalen Finanzkrise eine durchaus existenzielle Frage darstellt.
Leider deuten auch beim Thema Infrastruktur die Vorschläge der »Nationalen Engagementstrategie der Bundesregierung« in die falsche Richtung: Hier wird – wenn auch recht diffus – vorgeschlagen, dass Bürgerstiftungen und Kommunen künftig die Organisationsstrukturen für das Engagement vor Ort tragen, das heißt finanzieren sollen. Der Bund sieht sich lediglich als Impulsgeber, der über Modellprogramme neue Ideen und Projekte initiiert. Doch hinterlässt er dabei seit vielen Jahren jene berühmt-berüchtigten »Modellruinen«, mit denen am Ende mehr Schaden angerichtet als Positives bewirkt wird. Die 500 Mehrgenerationenhäuser in Deutschland und ihre ungewisse Zukunft sprechen darüber Bände.
Wie für das Zuwendungsrecht gilt auch für die Förderung der kommunalen Infrastruktur: Eine Lösung für die großen Finanzierungsprobleme kann es nur geben, wenn man von Modellprogrammen und Projekten zu einer dauerhaften Förderung von Strukturen gelangt. Die häufig gehörte Forderung privater Spender, ihr Geld solle nur in die »gute Sache«, nicht aber in die Verwaltung fließen, erweist sich hier als genau das Falsche. Denn abgesehen davon, dass es fast immer hauptamtliche und professionelle Begleitung und Organisation von bürgergesellschaftlichen Projekten geben muss – »Ehrenamt braucht Hauptamt!« –, bleiben die sozialen Probleme in der Regel bestehen, wenn Projekte auslaufen. Auch nach der Beendigung eines Projekts zur Begleitung von benachteiligten Jugendlichen aus der Schule in die Ausbildung wird es weiterhin benachteiligte Jugendliche mit den gleichen Problemen geben. Daher bedarf es gesicherter Strukturen, will man das Rad nicht ständig neu erfinden.
Nun gibt es auch hier bereits sehr gut durchdachte Vorschläge für eine Politik der Förderung zivilgesellschaftlicher Infrastruktur. Das Bundesfamilienministerium selbst hatte dazu bei dem Kieler Staatsrechtslehrer Gerhard Igl ein Gutachten in Auftrag gegeben, in dem dieser die Möglichkeiten des Bundes zur Förderung einer kommunalen Infrastruktur für bürgerschaftliches Engagement prüfen sollte (vgl. Igl 2009). Das größte Hindernis liegt dabei im sogenannten Kooperationsverbot, welches bei der letzten Föderalismusreform 2009 beschlossen worden ist: Der Bund darf die Kommunen in Deutschland nicht mehr fördern. Programme wie das »Investitionsprogramm Zukunft, Bildung und Betreuung« (IZBB), das unter der rot-grünen Bundesregierung zur Förderung der Ganztagsschulen in Deutschland aufgelegt wurde, wären heute verfassungswidrig.
Auf die Absurditäten dieses Beschlusses des Deutschen Bundestages, mit dem (vergeblich) die Konflikte zwischen Bundestag und Bundesrat reduziert werden sollten und der am Ende nur der Etablierung eines aggressiven »Wettbewerbsföderalismus« in Deutschland genützt hat, kann hier nicht weiter eingegangen werden. Interessant ist aber, und das hat Gerhard Igl in seinem Gutachten sehr plastisch herausgearbeitet, dass es Hilfskonstruktionen gibt, die es dem Bund ermöglichen, die kommunale Ebene doch zu fördern und auf diese Weise das Kooperationsverbot zu umgehen. Dies geschieht über bundeseigene Stiftungen wie die Bundeskulturstiftung sowie über die bereits erwähnten Modellprogramme. Igl sagt nun, dass die Umgehung des Kooperationsverbots in der Sache nicht
Weitere Kostenlose Bücher