Bd. 1 - Die dunkle Schwinge
hat sich geändert, und wir müssen uns ebenfalls ändern.«
»Ich kann nur schwer glauben, dass die Zor ihre Xenophobie über Bord geworfen haben. Laut Ihrem Buch besteht ihre einzige Alternative im Kampf bis zum bitteren Ende. Geändert haben wir uns, nicht die Zor, indem wir auf ihr Niveau gesunken sind. Zumindest gilt das für diejenigen, die diesen Feldzug geführt haben.«
»Das finden Sie abstoßend.«
»Natürlich! Ich kann nicht behaupten, ich würde die Zor lieben. Aber die Auslöschung einer ganzen Spezies empfinde ich als widerlich. Sie nicht?«
»Würden Sie mir glauben, wenn ich sage, dass es mir nicht anders geht? Überlegen Sie doch mal, Abgeordneter. Ich bin derjenige, gegen den Sie im Parlament gewettert haben. Sie haben mir Grausamkeiten, Meuterei und Verrat unterstellt, und zuletzt haben Sie behauptet, ich wolle den Thron auf Oahu besteigen. Und doch sind Sie jetzt hier, über hundert Parsec von zu Hause entfernt, weil Sie … was? Was wollen Sie überhaupt hier? Verbrüderung mit dem Monster, das Sie vernichten möchten? Sehr doppelzüngig, Abgeordneter. Sehr opportunistisch, Abgeordneter. Das empfinde ich als widerlich.«
»Ihre Rhetorik beeindruckt mich, Mylord. Sie hätten einen guten Politiker abgegeben.«
»Ich sollte Sie für diese Bemerkung ins Vakuum stoßen«, raunte Marais. Seine wütende Miene nahm mit einem Mal etwas sanftere Züge an. »Aber verraten Sie mir lieber etwas anderes: Was würden Sie sagen, wenn ich Ihnen erkläre, dass der Krieg vorüber ist?«
Hsien hatte einen Augenblick lang das Gefühl, ein eisiger Hauch wehe über das Aussichtsdeck. Die Sterne wirkten plötzlich erheblich weiter entfernt, die Verwerfung schien größer und bedrohlicher. Marais verzog keine Miene.
»Dann haben Sie es also getan.« Hsien sah wieder auf das Schwert, doch Marais sagte nichts dazu.
»Ich war auf Zor’a«, sagte er stattdessen. »Aber wir haben die Zor nicht ausgelöscht. Vielmehr hat sich etwas Außergewöhnliches zugetragen. Die Zor haben ihre Sichtweise des Universums grundlegend geändert. So grundlegend, dass es nicht nötig ist, den Feldzug gegen sie fortzusetzen. Der Krieg ist vorüber, wir haben gewonnen. Aber wir mussten sie nicht vernichten. Und besser noch: Die Zor hielten es nicht länger für nötig, sich selbst das Leben zu nehmen. Wir haben aus Feinden Verbündete gemacht.«
»Verbündete? Sind Sie verrückt?«
»Wir können uns auf die Brücke begeben und einen Blick auf das Pilotendisplay werfen, wenn Sie möchten. Momentan sind in diesem System einundzwanzig Zor-Schiffe anwesend. Einige von ihnen werden mich ins Sol-System begleiten.«
Unzählige Möglichkeiten und ihre Folgen jagten durch Hsiens Kopf, während er über Marais’ Worte nachdachte. Er zweifelte nicht daran, dass der Mann die Wahrheit sprach. Dass sich Zor-Schiffe im System aufhielten, hatte man bereits auf der Cameron festgestellt, ehe er auf den Flottentransporter gekommen war. Die Zor jedoch als Verbündete zu betrachten, das überstieg in diesem Augenblick seine Auffassungsgabe genauso wie der Gedanke, sie ins Sol-System zu bringen. Eine selbstmörderische Zor-Crew konnte mit einem einzigen Schiff Verheerendes anrichten, indem sie es über Buenos Aires, London oder Genf abstürzen ließ … oder auf Oahu …
»… und dann sagte er mir, er habe nicht die Absicht, Imperator zu werden«, sagte Hsien schließlich, während er seinen Blick über das Gedränge im Club schweifen ließ. »Er sagte, er kommt zurück, um in einem ordentlichen Gerichtsverfahren alle Vorwürfe gegen ihn zu widerlegen. Er erklärte mir, die Zor hätten ihm irgendeinen Posten in ihrer Regierung gegeben, den eines Fürsprechers oder so etwas. Ich vermute, das Schwert hat etwas damit zu tun. Ich könnte mir vorstellen, dass sich ein Militärgericht dafür nicht sonderlich interessieren wird.«
»Und was glauben Sie?«
Hsien antwortete nicht sofort, sondern lehnte sich seufzend zurück und rieb sich die Stirn. »Ich glaube, unser Admiral Marais ist gerissener und unbarmherziger als seinerzeit Admiral Willem McDowell. Einiges spricht dafür, dass das Gerichtsverfahren nur Augenwischerei ist. Erst danach wird wirklich etwas geschehen. Entweder wird er freigesprochen und kann tun und lassen, was er möchte, oder man verurteilt ihn, und er wird das Urteil nicht anerkennen. Er ist nicht auf den Kopf gefallen«, fügte er an.
Der Agent verzog keine Miene. »Gehen Sie davon aus, dass er der nächste Imperator wird?«
»Tja
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