Bd. 1 - Die dunkle Schwinge
zur Verwerfung gelegenen Seite bis hin zu Alya an der Sol zugewandten Seite. Dadurch wurde nicht nur das Steueraufkommen für das Imperium deutlich gesteigert, sondern eine ganze Reihe von Adelsfamilien (von denen einige neu begründet wurden) übernahm Grund und Boden, um ihn zu verwalten, auszubeuten und gegen weitere Übergriffe durch den Feind zu befestigen. Das änderte aber nichts an der Tatsache, dass die Neuen Territorien ein unsicheres Gebiet waren, denn sie stellten weiterhin den Schauplatz dar für die immer brutaleren Konflikte zwischen dem Sol-Imperium und der Zor-Hegemonie. Doch mit jedem nachfolgenden Friedensvertrag wurden weitere Welten den Neuen Territorien hinzugefügt, sodass die ein Stück von der Grenze entfernt liegenden Planeten allmählich zur Ruhe kamen. Trotz verheerender Verluste hielten die Zor verbissen an einer Reihe von Koloniewelten auf der Sol zugewandten Seite der Antares-Verwerfung fest, einer Sternenlosen Region im All, deren Durchmesser sich auf einige Parsec beläuft. Diese planetaren Systeme wirkten wie eine riesige gespreizte Klaue, ein Arm, der die Verwerfung überspannte und den dort an wesenden Menschen trotzte.
Mit Feuer und Schwert: Die Geschichte des Konflikts zwischen Menschen und Zor, von Ichiro Kanev
(Gleason Publishing, Adrianopel 2310)
Die Pergamum-Basis lag tief innerhalb der Neuen Territorien, war aber nach dem Angriff der Zor so gut wie bedeutungslos geworden. Die Basen am Boden und im Orbit wurden zwar aufrechterhalten, doch es fehlte an einer strategischen oder taktischen Bedeutung, und da ein großer Teil der Flotte in Raumschrott verwandelt worden war, der am Rand des Systems durchs All trieb, gab es praktisch keine Verteidigung mehr. Der Heimathafen der Imperialen Navy blieb weiterhin Mustapha.
Mustapha hatte man achtundzwanzig Jahre zuvor den Zor abgenommen. Die Eroberungsgeschichte war typisch für eine Grenzwelt. Sie war von den Zor massiv befestigt worden und diente als Versorgungslager für ihre Flotte. Als deren Position unhaltbar wurde, rückte die Imperiale Navy vor, und die Zor zogen sich zurück – bis auf ein paar hundert zum Sterben verurteilte Krieger, die den Posten bis zum letzten Mann verteidigten. Nachdem auch die letzten Zor getötet und die Trümmer weggeschafft worden waren, holte die Navy die Seabees, die die Basis umbauten, damit sie den Anforderungen ihrer neuen menschlichen Nutzer entsprach.
Neben dem unübersehbaren strategischen Vorteil einer intakten Basis gab es noch einen anderen Punkt zu bedenken: Was die Zor zurückgelassen hatten, lieferte einen umfassenden Einblick in die Denkweise und den Glauben dieser Aliens. Mustapha entpuppte sich als eine Art Stein von Rosette für die Xenologen, die sich mit dieser fremden Spezies befassten. Keine derart intakte Einrichtung der Zor war den Menschen zuvor in die Hände gefallen. Grundriss und zurückgelassene Ausrüstung verrieten viel über die Aliens: ihre Gesellschaftsstruktur (pyramidenartig), ihre Kommandostruktur (extrem breit gefächert – die begrenzte Reichweite der Kommunikationsanlagen legte die Vermutung nahe, dass die meisten Schiffe in einem Kampfgebiet eigenständig Entscheidungen trafen), und sogar ihre Ess- und Trinkgewohnheiten (was auch weitere Erkenntnisse über ihre Physiologie mit sich brachte). Das alles lag wie ein komplexes Puzzle vor den Gelehrten, auch wenn viele wichtige Teile nach wie vor fehlten.
Das auffälligste Objekt im Mustapha-System war ein gewaltiger Torus aus Metall, ein künstlich gefertigter Ring, der den Mond der einzigen bewohnbaren Welt im System vollständig umgab. Verankert war er auf der Mondoberfläche mithilfe von breiten Speichen, die einen Viertel Kilometer hoch waren, wobei der Ring eine Stärke von über hundert Metern hatte und mit dem bloßen Auge von Mustapha aus zu erkennen war. Dieses Bauwerk, das ein Wunder der Ingenieurskunst darstellte, war offenbar als Raumdock und Reparatureinrichtung entworfen worden. Es umfasste mehrere Raumdocks, die jeweils über die Art von schwerer Ausrüstung verfügten, die für Zor-Schiffe erforderlich war. Es war mit einem immensen Aufwand verbunden gewesen, die Anlage den Bedürfnisse der Menschen und ihrer Schiffe anzupassen, doch dieser Aufwand kostete trotz allem nur einen Bruchteil dessen, was Seine Imperiale Majestät hätte ausgeben müssen, um eine solche Anlage von Grund auf errichten zu lassen. Außerdem war allein der Nutzen für die Propaganda es wert gewesen, die
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