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Bd. 1 - Die dunkle Schwinge

Bd. 1 - Die dunkle Schwinge

Titel: Bd. 1 - Die dunkle Schwinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter H. Hunt
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Das Volk …« Er machte eine ausholende Geste zum Fenster, hinter dem der Wind Blätter durch den Regen trieb. »Das Volk, mein Freund, sitzt nicht in der Imperialen Versammlung. Es trifft keine Entscheidungen, seine Meinung ist nicht erwünscht, und es wird auch nicht danach gefragt. Regierungen und Unternehmen treffen die Entscheidungen, und solange es Konsumgüter gibt und die Shuttles pünktlich sind, überlässt das Volk, uns das Regieren. Mehr als die Hälfte aller Erwachsenen im Sol-Imperium hat in den letzten sechzig Jahren mindestens einen Verwandten bei einem Angriff der Zor verloren, beim Militär genauso wie unter der Zivilbevölkerung. Wissen Sie, was das heißt? Mehr als die Hälfte des Volks, Tomas, hat einen Groll auf die Zor. Mitgefühl mit ihnen haben nur Wissenschaftler und andere Intellektuelle, aber nicht das Volk.«
    »Das wird sich ändern, wenn das Volk erfährt, wie dieser Groll in die Tat umgesetzt wird.«
    »Und wie soll das geschehen?«
    Nun war es an Hsien, eine dramaturgische Pause einzulegen. Er rieb sich die Hände und fuhr fort. »Natürlich weiß ich nur, was mir meine Quellen berichten. Aber mir ist bekannt, dass Ihr Admiral auf mehreren von den Zor kontrollierten Welten die gesamte Zivilbevölkerung ausgelöscht hat. Als Nächstes will er auch den großen Stützpunkt bei A’anenu auslöschen – nicht einnehmen, sondern auslöschen – und anschließend die Heimatwelten der Zor angreifen.« Er betrachtete den Premierminister, ob der irgendeine Reaktion erkennen ließ.
    Der Premier ließ sich nichts anmerken, kochte aber innerlich vor Wut. Woher zum Teufel weiß er diese Dinge? »Reden Sie ruhig weiter.«
    »Ich habe auch erfahren, dass der Größenwahn Ihres Admirals eine neue Stufe erreicht hat. Man könnte es als Größenwahn von mythischen Dimensionen bezeichnen. Offenbar glaubt er, die Zor halten ihn für den Engel des Todes, und allem Anschein nach glaubt er auch, das zu sein.«
    »Marais ist ein Experte auf diesem Gebiet.«
    »Halten Sie diesen Unsinn nicht für gänzlich unangebracht?«
    »Marais ist so erfolgreich wie kein anderer vor ihm. Ich kann schwerlich diesen Erfolg in Abrede stellen, Tomas. Was soll ich Ihrer Meinung nach tun? Seine Entscheidungsfreiheit einschrän-«
    »Dann heißen Sie also gut, was dort abläuft. Sie heißen die Auslöschung einer ganzen Spezies gut.«
    »›Gutheißen‹ ist wohl ein wenig übertrieben.«
    »Aber darauf läuft es hinaus. Es sei denn … es sei denn, Ihnen ist die Kontrolle über die Situation entglitten.«
    Am liebsten hätte er geantwortet: Ja, so ist es. Wir haben es mit einem Verrückten zu tun. Wir müssen hilflos zusehen, wie er macht, was ihm gefällt.
    Aber er wusste, bei diesem Mann würde das zu nichts führen, selbst wenn es der angemessenere Weg gewesen wäre. Doch das war nicht der Fall, ganz gleich, wie eng sich die Schlinge bereits um seinen Hals zugezogen hatte.
    Der Bastard hat völlig Recht, dachte er. Ich habe wohl wirklich nicht mehr lange das Sagen. Auch wenn das nichts an den Mehrheitsverhältnissen in der Versammlung ändert.
    »Sie können die Situation so darstellen, wie Sie das möchten.«
    Hsien seufzte wie ein Mann, der die Geduld mit einem trotzigen Kind verloren hatte. »Wirklich, Georges, ich hatte Sie für einen vernünftigen Menschen gehalten. Vielleicht wird der Imperator geneigter sein, mir zuzuhören.«
    »Der Imperator würde Sie nicht mal zu sich vorlassen, Tomas, das wissen Sie so gut wie ich. Also sparen Sie sich die Zeit.«
    »Es tut mir wirklich Leid, Ihnen widersprechen zu müssen.« Der Oppositionsführer zog einen Umschlag mit dem Siegel des Imperators aus der Innentasche seiner Jacke. Die Lasche war vorsichtig geöffnet worden, als handele es sich um eine Kostbarkeit. »Ich habe die Einladung bereits erhalten.«
    Während der Premierminister sprachlos vor Verblüffung dasaß, erhob sich Tomas Hsien aus seinem Sessel und steckte den Brief wieder ein. »Ich gehe davon aus, dass die Gespräche mit Ihrem Nachfolger schneller Früchte tragen werden. Bleiben Sie ruhig sitzen, ich finde allein hinaus.«
    Ehe der Premier etwas einwenden konnte, hatte der andere das Büro bereits verlassen, die Tür glitt hinter ihm zu.
    Der Sturm rannte derweil unerbittlich gegen die große Fensterscheibe an und zerrte an den Ästen der Bäume.
    Der logistische Teil des Angriffs auf A’anenu machte eine umfangreiche Planung erforderlich. Mehr als zweitausend Marines waren nötig, die alle eingewiesen und

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