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Bd. 1 - Die dunkle Schwinge

Bd. 1 - Die dunkle Schwinge

Titel: Bd. 1 - Die dunkle Schwinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter H. Hunt
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Monitoren auch nur der Hauch einer Bewegung zu sehen war. Manchmal versagten die Abwehrfelder, oder die Generatoren fielen aus, dann war alles in einem flüchtigen Augenblick vorüber – eine neue Sonne entstand für kurze Zeit in der Schwärze des Alls und setzte allem Leben an Bord ein jähes und brutales Ende. Man kann den Tod niemals wirklich verstehen, solange man ihn nicht selbst erlebt hat. Und dann ist es zu spät.
    In den zweihundert Jahren, die die Menschheit nun schon zu den Sternen reiste, war es bei einem Kampf zwischen Menschen nur selten zur völligen Vernichtung einer von beiden Seiten gekommen. Wie bei einem Schachspiel ging es nicht darum, den Widersacher um jeden Preis zu eliminieren. Das Ziel war vielmehr, ihm die Möglichkeit zu nehmen, weiterhin Widerstand zu leisten. Das Vernichtungspotenzial war da, doch ein Menschenleben war so zerbrechlich, dass die oberste Direktive für eine Flotte darin bestand, den Gegner zu überwältigen, nicht ihn auszulöschen. In zwanzig Jahren Karriere konnte es ein fähiger Commander durchaus schaffen, niemals ein feindliches Schiff, eine Basis oder eine andere Einrichtung zu zerstören. Der Gedanke, besser Gefangene zu machen anstatt den Gegner zu eliminieren, bedeutete, dass man mit einer Gewohnheit brechen musste, die tief saß. Das galt auch, als Zor und Menschen zum ersten Mal aneinander gerieten.
    Die Zor sahen fremdartig aus, und so stellten sich auch ihre Taktiken dar. Ihre Missachtung gegenüber dem Individuum erschien fast schon kaltblütig. Um eine bestimmte Einrichtung der Menschen zu zerstören, ließen sie es immer wieder zu, dass drei oder mehr Schiffe bei einer Verzögerungsaktion vernichtet wurden, um einen tödlichen Treffer landen zu können. Strategen der Menschheit glaubten, Zor-Admiräle seien ungebildet und verzweifelt. Nur Admiral Marais war anderer Ansicht, hatte er sich doch ausgiebig mit der Kultur der Zor beschäftigt. Überbevölkerung hatte zu einer selbstlosen Geisteshaltung geführt, bei der das Individuum hinter der Spezies insgesamt zurücktreten musste, doch das war nur die halbe Wahrheit. Es war eine Einstellung, eine Lebensart, etwas so Grundlegendes und Allumfassendes, dass Menschen es fast unmöglich verstehen konnten.
    Sergei dachte, er hätte es verstanden, nämlich als Lektion, die er bei diesem Feldzug erteilt bekommen hatte, der mit keinem früheren militärischen Konflikt zu vergleichen gewesen war. Doch jetzt wusste er, dass er einem Irrtum erlegen war. Sein Verstand arbeitete auf die gewohnt distanzierte Weise und analysierte die Situation so ungerührt und logisch, als sei er ein außenstehender Beobachter. Er wusste, seine Handflächen waren nass geschwitzt, doch wollte er die Lancaster und ihre Schwesterschiffe zu einem höheren Tempo antreiben, um die Zor einzuholen, die den Abstand zu ihren Verfolgern immer weiter vergrößerten.
    Er zerlegte die derzeitige missliche Lage in ihre Bestandteile und zog dabei alle Alternativen und Optionen in Erwägung. Eigentlich war es ganz simpel: Wenn dies nur eine Zwischenstufe war, nicht aber das endgültige Ziel, dann musste er die Einrichtungen der Zor einnehmen, vor allem die im Orbit um den Planeten. Das erforderte ein geschlossenes Vorgehen der Marines, während die Flotte die Zor-Schiffe aufhielt. Alles hing ab von Marais’ Einschätzung, dass die Zor eher versuchen würden, das primäre Ziel – die Flotte – zu vernichten, anstatt sich darum zu kümmern, den imperialen Angreifern das sekundäre Ziel – den Flottenstützpunkt – zu nehmen.
    Doch Marais hatte sich geirrt. Und dieser Irrtum brachte mit einem Mal einen großen Teil der Angriffstruppen in tödliche Gefahr. Es gab zu viele mögliche Szenarien, die Sergei durchgehen konnte, um zu erkennen, ob man die Truppen würde retten können – zu viele Szenarien, von denen viel zu viele damit endeten, dass der Stützpunkt vernichtet wurde: entweder von den Zor auf der Station, die freiwillig aus dem Leben scheiden würden, um ihr Ziel zu erreichen, oder von den Zor auf den Schiffen, die ihre eigene Station angreifen würden. Es war nicht mehr nötig als ein präzise gezielter Flugkörper, der es an Marc Hudson vorbei schaffte und der die Station genau an der richtigen Stelle traf. Damit würde die Schlacht verloren sein, ganz gleich, welches Schicksal die verbleibenden Zor-Schiffe erwartete. Es war unmöglich, den Feldzug fortzusetzen, wenn man keine Truppen und keinen Stützpunkt mehr besaß. Vermutlich nicht mal

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