BE (German Edition)
mit Bernd über mir wäre der Respekt zu groß gewesen. Ich hätte mich nie getraut, ihm zu widersprechen. Ich musste mich von ihm lösen, um mich zu emanzipieren. Darauf hat er auch nicht eingeschnappt reagiert. Ich habe Bernd den Rohschnitt von meinem ersten Film »Knockin’ on Heaven’s Door« gezeigt. Natürlich war ich sehr nervös. Bernd hat uns sehr viele Ratschläge gegeben, die wir dann auch umgesetzt haben. Ich habe den Film dann Bernd gewidmet.
»Wenn es eine Hoffnung gibt, dann liegt sie bei den Proles«
IM Zuge meiner Faszination mit dystopischer Literatur habe ich mit Bernd lange über Aldous Huxleys »Schöne Neue Welt« diskutiert. Seiner Ansicht nach schien Huxley die Gesellschaft ohne Leidenschaft und ohne Schmerz der realen Gesellschaft vorzuziehen. Er sah in dem Buch keine Kritik. Die Hauptfigur Bernard Marx war für Bernd ein dummer Tor. Bernd war da nicht anderer Meinung als Michel Houellebecq, der in seinem Roman »Elementarteilchen« die These vertritt, dass Huxley nicht so sehr einen totalitären Albtraum beschrieb, sondern aus seiner Sicht das Paradies. Erst später habe Huxley das Buch als Anklage und Satire verkauft. Was natürlich nicht bedeutete, dass Bernd Huxleys »Schöne Neue Welt« guthieß. Eine Welt ohne Leidenschaft? Eine Welt, in der Sex nicht mehr bedeutete als eine Art Wellness-Programm? Eine ungeheuerliche Vorstellung für Bernd. Nein, wenn ich mir Bernd in seiner Einsamkeit, in seiner Verzweiflung anschaue und wie er immer wieder Zuflucht und Trost im Proletenhumor, versifften Kneipen und Puffs gesucht hat, dann erinnert er mich vor allem an einen anderen dystopischen Helden: Winston Smith, der Protagonist in George Orwells »1984«, mit seiner sehnsuchtsvollen Feststellung: »Wenn es eine Hoffnung gibt, dann liegt sie bei den Proles.«
Für manche Leute mag es unverständlich sein, dass der Mann, der der Welt »Der Name der Rose« oder »Der Untergang« brachte, auch Tom Gerhardts »Voll normaaal« und »Ballermann 6« produziert hat. Und dass diese schmutzigen, vulgären und immer wieder die Ekelgrenze überschreitenden Komödien genauso viel mit Bernd zu tun hatten wie die ernsten Dramen. Bernd liebte die Anarchie dieses prolligen Humors aus »Werner« oder den Tom-Gerhardt-Filmen. Die Figuren darin waren für ihn Helden des Alltags, die am Abgrund wandeln, ohne es zu merken, und alles aufs Spiel setzen, um sich nicht zu langweilen. Umso besser, wenn sich das verkrampfte Bildungsbürgertum über diese Filme aufregte. Genau das war es ja, was Bernd solchen Spaß machte. Bernds Auseinandersetzung mit dem Abjekten war in gewissem Sinne eine Abgrenzung von dem ordnenden System – und dabei insbesondere vom mütterlichen Konzept des Anstands und der Sauberkeit. Klar sind das in dieser und in jeder anderen Hinsicht auch pubertäre Filme.
Tom Gerhardt hat für dieses Buch auf meine Bitte hin folgenden Text über Bernd geschrieben:
Arf! Arf! Arf! Das aufgeregte Bellen, Knurren und Jaulen eines deutschen Schäferhundes dringt durch die nächtliche Stille eines abgelegenen Grundstücks in Beverly Hills, Kalifornien. Wenn ich Wodka sein Bällchen vorenthalte und es ihm aus der Mitte des Pools im Garten zeige, dreht der Hund völlig durch, rennt wie besessen um das Becken herum und springt irgendwann – völlig gierig nach dem Ball – zu mir ins Wasser. Absolut unermüdlich dieses Tier, wie sein Herrchen.
So verliefen all meine Pausen beim Drehbuchschreiben. Wie Jack Nicholson in »Shining« fühlte ich mich manchmal in dem ruhig gelegenen, gediegen eingerichteten, hölzernen Gästehaus der Constantin Film, manisch über Dialogen sitzend, die nichts mit dem kosmopolitischen Los Angeles zu tun hatten … da ging es eher um wüste Stories aus Köln-Kalk …
Und meist so gegen Mitternacht schallte es erwartungsfroh »Toooom!!!« aus dem Flur. Bernd kam zurück von Geschäftsessen, die den Geschäftsterminen regelmäßig folgten, und freute sich nun auf die letzten – möglichst lustigen – Nachtstunden mit mir.
»Hi, Bernie! Lass mich gerade noch zu Ende schreiben …«, wendete ich manchmal ein, aber da kannte der Hausherr keine Gnade: »Ach was, scheiß drauf, machst du morgen weiter … komm her jetzt!« Und schon saßen wir in der Küche, Bernie holte würzigen Käse aus dem Kühlschrank, knackte einen edlen Rotwein, und Hund Wodka begehrte heftig nach den Hühnerschenkeln, die er im Kühlschrank erschnuppert hatte. Bernds Herz ist schnell zu
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