Beautiful Americans - 01 - Paris wir kommen
erweist. Was Dein mageres Girokonto angeht, das zu meiner Überraschung fast abgeräumt ist, seit Du in Paris bist, werde ich Dir da nicht den Zugang sperren. Also wirklich, Alex! Wie konntest Du nur Dein Geld für das gesamte Jahr so schnell ausgeben ?
Ich bin extrem enttäuscht von Dir. Ich hatte mehr von Dir erwartet.
CAB
Ist sie geistesgestört? Ich kapiere das nicht. Meine Mom ist doch selbst schon in Paris gewesen. Sie hat hier mal gelebt! Wie kann sie so begriffsstutzig sein und nicht verstehen, wie viel man nun mal für ein Leben in Paris notwendigerweise braucht?
Bei Colette war ich nur ein Mal! Und das auch nur deshalb, weil sie mir davon erzählt hat. Und ich hab nicht mal alles bekommen, was ich wollte. Nur das Allemötigste, die zweifarbigen flachen Repetto-Ballerinas und die kleine Halskette in Form eines Totenkopfs, die ich für Toussaint wollte, den französischen Feiertag nach Halloween. Zack und ich hatten den Tag auf dem Friedhof Pere-Lachaise verbracht, auf dem wir herumgestreift sind und uns gegenseitig hinter Gräbern aufgelauert und uns erschreckt haben. Da waren doch gute Accessoires wichtig!
Also wirklich, Alex!, äffe ich sie im Kopf nach, als ich mir zum hundersten Mal, seit ich sie gelesen habe, ihre E-Mail vergegenwärtige. Seit wann kümmert ausgerechnet sie sich um zu hohe Geldausgaben? So lief es nun mal: Mein abwesender Vater schickt einen lächerlich hohen Alimente-Scheck an meine Mom, den sie dann wiederum an ihren Bankfritzen gibt um meine Rechnungen zu bezahlen. So war es schon immer. Ich habe keinen Vater und kein richtiges Familienleben. Stattdessen kriege ich eine riesige Garderobe und sämtliche Kosmetikbehandlungen, die ich will. Mit diesem Arrangement war ich immer sehr glücklich, und jetzt möchte meine Mom ganz plötzlich, zu so einem späten Zeitpunkt, wieder ihre Autorität in meinem Leben geltend machen?
Und wie sie ihre E-Mail mit ihren Initialen CAB unterschreibt, als wäre ich nur irgendeine ferne Bekannte und nicht ihre einzige Tochter! Als ich klein war, musste ich immer darüber lachen, dass meine Mom ein »Cab« war, ein gelbes Taxi, das uns nach einem langen Shoppingtag von Bloomingdales nach Hause fuhr. Caroline Ahn Braun, die ihren Namen mit der Heirat nicht in Nguyen änderte, sodass sie ihn auch nicht rückändern musste, als ihr Ehemann sie verließ.
Zack spricht von meiner Mom immer in ganz respektvollem Ton - er nennt sie die Gräfin, die Königin, deine ehrwürdige Mutter und zwar stets mit seinem weibischsten künstlich-britischen Akzent. Was er wohl davon halten würde, dass die Grande Dame mir meine Lebensgrundlage gestrichen hat? Ich male mir aus, wie er mit vorgetäuschtem Mitgefühl mein Gesicht in seine Hände nimmt.
»Schätzchen!«, würde er schreien, sodass alle es hören könnten. »Was machen wir denn jetzt bloß? Wie können wir nur ohne die schwarze Amex mit den Joneses Schritt halten?«
Angesichts dieses möglichen Fortgangs verdrehe ich die Augen. Aber so weit wird es nie kommen, denn ich werde die ganze Sache geheim halten, bis sich alles wieder in Wohlgefallen aufgelöst hat.
Das sieht meiner Mom echt so was von ähnlich. Sie ist total sprunghaft und leidet unter extremen Stimmungsschwankungen. Wahrscheinlich ist das auch der Grund, warum mein Vater sie verlassen hat. Ich muss es wohl einfach aussitzen und den Mund halten.
Also schlucke ich meinen Stolz runter und hacke eine Erwiderung in meinen BlackBerry.
TUT MIR LEID, DASS DU UNANNEHMLICHKEITEN MIT AMEX HATTEST. LASS UNS DRÜBER REDEN, WENN DU ZUR MODEWOCHE NACH FRANKREICH KOMMST. HDL, AGN
* * *
Es macht mich rasend, daran zu denken, wenn die American- Express-Faschisten nur zehn Minuten länger mit der Sperrung meines Kontos gewartet hätten, ich den Dior-Mantel schon in den Händen gehalten hätte... dass ich ihn jetzt tragen könnte, während ich gerade die Rue du Faubourg-St. Honore in Richtung des Chloe-Ladens hetze. Mir wäre warm. Aber so trage ich stattdessen ein Sweatshirt, das meinem achtjährigen Gastbruder gehört, unter meiner Marc-Jacobs- Jacke. Ich bete zu Gott, dass ich unterwegs niemanden treffe, den ich kenne!
Dabei bin ich diesmal gar nicht richtig auf Shoppingtour, sondern ich will versuchen, frühere Käufe zu Kapital zu machen.
An diesem Nachmittag habe ich Zack im Computerraum sitzen lassen und bin auf kürzestem Wege nach Hause gegangen, wo ich auf dem Bett lag und die Mix-CD anhörte, die mir Jeremy gebrannt hatte. Darauf ist auch mein
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