Beautiful Americans - 02 - Kopfüber in die Liebe
Schwindelgefühlen stehe ich auf und stelle mich mit geradem Rücken hin. Ich weiß, dass ich betrunken bin, denn ich werde es tatsächlich tun. »Also gut!«
Statt der Abfolge, die wir für die Revue Bohème proben, entscheide ich mich dafür, meine neuen Freunde mit einem meiner besten Tricks zu begeistern. Ich fixiere die Wand und drehe mehrmals hintereinander schnelle Pirouetten, die sie sicher sprachlos machen. Nachdem ich mich ungefähr achtzehn Mal auf den Zehenspitzen meiner Lammfellstiefel gedreht habe und nur ins Plié gegangen bin, wenn es nicht anders ging, verbeuge ich mich schließlich in Richtung meines Publikums. Die Gruppe bricht in Jubel aus.
»Brava! Brava!«, brüllt Remy.
Ich muss kichern, auch wenn der behaarte alte Barkeeper uns finster ansieht. »Zeit zu gehen, Kids!«, mahnt er uns. »Keine lustigen Spielchen mehr.«
Ich quieke, als Thomas mich hochhebt und über die Schulter wirft. »Ich kann mich an das letzte Mal erinnern noch, als du hast getanzt und getrunken. Es hat bei Krücken geendet, non?«
Aber ich muss zu sehr lachen, um antworten zu können.
»Ab ins Bett mir dir!«, ruft Thomas und trägt mich nach Hause. Dabei singt und lacht er auf dem ganzen Rückweg bis zur Wohnung.
LA SAINT-SYLVESTRE
Silvester
7 • ALEX
Gute Vorsätze zu Silvester
Es dauert nicht lang, die Bude meines Vaters in Montauban zu finden. In solchen kleinen Städtchen neigen die Wohlhabenden dazu, sich alle auf demselben Fleckchen zu versammeln. Und die übrigen sind mit Google Maps auffindbar. Wir können es alle kaum erwarten, endlich aus dem Auto zu steigen und uns zu strecken und zu recken, vor allem Jay, der kurz vor unserer Ankunft eine E-Mail von PJ auf dem Handy empfangen hat. Er ist davon überzeugt, dass sie uns wirklich braucht, und hat Zack gedrängt, so schnell wie möglich zu fahren, damit er endlich richtig mit seiner Suche loslegen kann.
Als wir das Haus finden, in dem, wie ich aufgrund der Lektüre der internationalen Immobiliennachrichten kombiniere, mein Dad seine Wohnung haben muss, ist es bereits dunkel und mir ist unbehaglich zumute, aber das dürfen Jay und Zack nicht mitbekommen. Ich sage ihnen, dass sie im Wagen warten sollen, während ich mal die Wohnung checke. Nachdem ich tief durchgeatmet habe, gehe ich mit meinem breitesten Lächeln auf den Portier zu.
»Je m’appelle Alex Nguyen, la fille de M. Nguyen. Le Monsieur Nguyen du Montauban National«, informiere ich ihn.
»Ah! Mademoiselle Nguyen!« Der Portier ist ein älteres kleines Männlein mit Falten um die Augen und einem liebenswerten Lächeln. »Bonsoir!«
»Mon père n'est pas ici, n'est pas ? II va au Vietnam, oui?«
»Oui, oui, bien sûr«, entgegnet der Concierge. Erleichtert atme ich auf. Mein Dad ist also in Vietnam, genau, wie ich vermutet hatte. Weit, weit weg von hier.
Da ich mit meinem Französisch bereits an meine Grenzen gelangt bin, springe ich schnell weiter, bevor dem Portier irgendetwas komisch vorkommt. »Mein Vater hat gesagt, dass Sie meine Freunde und mich in die Wohnung reinlassen«, sage ich so schnell und flüssig ich kann. »Wir wollen für ein paar Tage hierbleiben.«
»Comment? C'est vrai?«, fragt er. Am liebsten würde ich Zack aus dem Auto zerren, denn von dem Rest, den der Portier sagt, verstehe ich kein Wort. »Listening comprehension« liegt mir einfach nicht. Also echt, aus dem Genuschel soll mal einer schlau werden.
Endlich gibt mir der Concierge die Hand und deutet dann auf den Aufzug und die Stufen hinauf. Er faselt etwas von seinem schlechten Gedächtnis, und ich kann unser Glück kaum fassen. Der arme Kerl fühlt sich wahrscheinlich schuldig, weil er sich nicht an mein Kommen erinnert hat.
Ich weiß vielleicht nicht viel über meinen Vater, aber eines ist sicher: An Frankreich liebt er die »gute alte Schule«. Er hat's nicht gern modern oder kühl. Und so überrascht es mich nicht sonderlich, dass er sich ein Apartment in einem renovierten mittelalterlichen Kloster unweit vom Marktplatz gekauft hat. Aber der Eingangshalle nach zu urteilen, ist die Wohnung allererste Spitzenklasse.
Plötzlich bin ich wahnsinnig nervös, sie zu sehen - das Zuhause meines Vaters. Na ja, eine seiner vielen Unterkünfte. Ich renne nach draußen zum geparkten Auto, schnappe mir Jay und Zack und ziehe sie mitsamt unserem Gepäck hinein.
Sobald wir alle beisammen sind, stellt sich der Concierge als Monsieur Garty vor. Er betrachtet uns alle freundlich. Wir quetschen uns in den kleinen
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