Bedroht
Meine?«
Kathrine fühlte sich bereits jetzt schuldig. Anderen Menschen hinterherzuspionieren war abartig, am liebsten hätte sie gleich wieder aufgelegt und sich in einen dunklen Winkel verkrochen.
»Nein, der Person, um die es geht«, sagte der Mann.
»Also, ich habe nur seinen Namen und sein Geburtsdatum.«
»Ja?«
»Soll ich Ihnen beides sagen?«
»Das würde die Sache erleichtern.«
Kathrine gab ihm die Informationen.
»Erik Månsson, Drottninggatan in Helsingborg«, wiederholte der Sachbearbeiter. »Da kommt nur eine Person in infrage.«
Er las die komplette Personenkennziffer vor, und Kathrine notierte sich die letzten vier Ziffern.
»Was möchten Sie denn wissen?«, fragte der Sachbearbeiter.
»Ich weiß nicht«, erwiderte Kathrine. »Wonach darf man sich erkundigen? Alles, wenn möglich.«
»Alles«, wiederholte der Sachbearbeiter. »Mal sehen, was es da gibt. Geburtsort Stockholm. Wohnte dort an verschiedenen Adressen, bis er vor sechs Monaten an die aktuelle Adresse in Helsingborg gezogen ist.«
»Wie lautet seine letzte Adresse in Stockholm?«
Der Sachbearbeiter nannte ihr die Adresse, die Kathrine sich notierte.
»Vielen herzlichen Dank.«
»War das alles?«, fragte der Sachbearbeiter.
»Gibt es noch mehr?«
»Ich sehe hier, dass seine Mutter am 4. Juli 2010 gestorben ist.«
Kathrine stutzte. Von allem, was Anna ihr erzählt hatte, war ihr die geschmacklose Lüge über den Tod der Mutter am deutlichsten in Erinnerung geblieben. War das gar keine Lüge gewesen? Hatte er die Wahrheit gesagt und es dann bereut? Das veränderte die Dinge in der Tat.
»Sie kann noch nicht alt gewesen sein«, meinte Kathrine.
»Jahrgang 1968«, sagte der Sachbearbeiter.
»1968?«, erwiderte Kathrine. »Dann hat sie Erik also mit sechzehn bekommen?«
Der Sachbearbeiter ging davon aus, dass es sich um eine rhetorische Frage handelte, und schwieg.
»Steht da, woran sie gestorben ist?«
»Nein.«
»Steht da vielleicht etwas über Eriks Vater?«
»Nicht viel. Der Vater ist 1985 nach Finnland gezogen. Ein Jahr nach der Geburt seines Sohnes.«
»Ich bedanke mich vielmals«, sagte Kathrine.
»Keine Ursache«, meinte der Sachbearbeiter.
»Warten Sie noch einen Moment. Wie hieß die Mutter?«
»Anneli Månsson.«
»Und wo wohnte sie, als sie starb?«
»Unter derselben Adresse wie ihr Sohn.«
40
Keine redaktionelle Tätigkeit war so anspruchsvoll, dass Sissela nicht die Zeit gefunden hätte, über abwesende Personen zu lästern. Anna hörte schon gar nicht mehr zu, sah sich jedoch gezwungen, in regelmäßigen Abständen zustimmend zu nicken, um keinen Konflikt heraufzubeschwören. Das wäre es nicht wert gewesen. Das Klingeln des Telefons war regelrecht eine Befreiung. Anna griff zum Hörer, drückte auf den roten, blinkenden Knopf und sagte ihren Namen.
Die Pause von einer halben Sekunde verriet ihr, dass Erik am anderen Ende war.
»Kannst du reden?«, fragte er.
»Es ist gerade etwas ungünstig. Kann ich zurückrufen?«
»Versprich’ s mir.«
»Gut, dann sind wir uns einig.«
Anna legte auf und nickte Sissela zu, die immer noch ihre Klatschgeschichte erzählte. Trude mischte sich gelegentlich ein.
»Nein«, meinte Sissela schließlich. »Genug geplaudert. Höchste Zeit, die Wand zu inspizieren.«
Einmal pro Woche spazierten Sissela, Trude und Anna wie Generäle zur Truppeninspektion in die Layout-Abteilung, um sich einen letzten Überblick über die an die Pinnwand gehefteten Reportagen und Artikel zu verschaffen, bevor alles in den Druck ging.
Die Redaktionsleitung diskutierte gerade Änderungsvorschläge für drei Überschriften, um Wiederholungen zu vermeiden, als Annas Telefon am anderen Ende des Großraumbüros klingelte. Die Feature-Chefin, die in der Nähe saß, erhob sich und deutete fragend auf das Telefon. Anna nickte.
Die Feature-Chefin hob den Hörer ab. Offenbar sagte die Person am anderen Ende nichts, jedenfalls rief Annas Kollegin einige Male »Hallo?« in den Hörer und legte dann auf. Sie war schon wieder auf dem Weg zu ihrem Schreibtisch, als es erneut klingelte. Dieses Mal meldete sich jemand. Die Feature-Chefin streckte die Hand nach einem Stift und einer Haftnotiz aus und schrieb mit. Anna folgte jeder einzelnen Bewegung. Die Kollegin beendete das Gespräch, riss den Zettel von dem Block und pappte ihn an Annas Bildschirm.
»Entschuldigt mich«, sagte Anna und begab sich an ihren Platz.
Sie wandte sich fragend an die Kollegin, die den Anruf für sie entgegengenommen
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