Bedrohung
über die gewundene Straße nur langsam näher, gleich würde er sich wie auf dem Präsentierteller ihrem Hinterhalt darbieten.
Cain spürte die lustvolle Erregung bevorstehender Gewalt in sich aufsteigen. Das war es. Seine letzte Schlacht. All die Monate des Planens. Die Massaker von heute würden in diesem letzten blutigen Akt gipfeln, einem Akt, der die Regierung dermaßen demütigen würde, dass es unvorstellbar war, wie sie dies überleben sollte. Die Polizisten, die Fox eskortierten, verachtete Cain nur und betrachtete sie als Erfüllungsgehilfen des Establishments, die für die Politiker die Drecksarbeit erledigten. Sie verdienten, was auf sie zukam. Es würde keine Gnade geben. Und kein Bedauern.
Während er hinter einer Eiche in Schussposition ging, lächelte er dünn. Er versuchte, nicht in das gleißende Scheinwerferlicht zu blicken, und krümmte den Finger um die Öse.
Es war so weit.
72
21:30
»Wie kommt’s, dass du immer da bist, wo’s richtig abgeht?«, fragte der Cop mit einer Mischung aus Neid und Bewunderung. Er saß neben Tina auf dem Rücksitz des hinteren Begleitfahrzeugs und lächelte dabei so belustigt, dass Tina davon ausgehen konnte, dass er sie nur ein bisschen hochnehmen wollte. »Ich glaube, ich habe fünfhundert Einsätze hinter mir, bei denen Feuerwaffen im Spiel waren – und weißt du, wie oft ich geschossen habe?«
»Lass mich raten«, machte Tina mit. »Nie?«
»Genau. Verstehst du? Das ist unfair. Du brauchst bloß irgendwo aufzutauchen, und schon geht die Ballerei los. Du scheinst es förmlich anzuziehen.«
»Aber normalerweise bin nicht ich diejenige, die zu schießen anfängt, und unbewaffnet macht das Ganze eben nicht so viel Spaß.«
Wobei Tina sich eingestand, dass das nicht ganz stimmte. Ob bewaffnet oder nicht – sie hatte jedes Mal einen Riesenkick erlebt, wenn es irgendwo richtig krachte, obwohl diese Erlebnisse nicht spurlos an ihr vorübergegangen waren.
Als der Konvoi sich dem Unterschlupf näherte, wo sie Fox verhören würde, merkte sie plötzlich, wie die Erschöpfung sie überwältigte. Zweimal hatte sie heute fast dran glauben müssen. Jetzt war der Adrenalinschub abgeklungen, und nur mit reiner Willenskraft konnte sie verhindern, in einen Schockzustand zu fallen. Sie dachte nur noch an ihr Bett und hoffte, Fox würde die anderen Namen ohne weitere Sperenzchen ausspucken. Dass er ihr bereits Cecil Boorman ans Messer geliefert hatte, war ermutigend, doch sie bezweifelte, dass er die wichtigeren Verschwörer ebenso locker verraten würde. Fox war ein amoralischer Egoist, der sich daran berauschte, Menschen hinzuhalten.
Der Cop neben ihr redete immer noch, und Tina mühte sich, ihm zuzuhören. Was er sagte, war nicht sonderlich spannend, deshalb driftete sie immer wieder weg. Er war ein netter Bursche, attraktiv und freundlich, eine Kombination, auf die sie normalerweise ansprang, aber sie mochte es nicht, ihre Erlebnisse breitzutreten und schon gar nicht am Ende eines langen, anstrengenden Tages.
Sie sah aus dem Fenster auf die bewaldete Landschaft, die sanft abfiel. Die Bäume waren längst kahl und wirkten mit ihren skelettartig in die Höhe gereckten Ästen wie Vorboten einer Tragödie.
Plötzlich merkte sie, dass ihr Handy klingelte.
Es war Mike.
»Wo bist du?«
Sie konnte den Stress und die Erschöpfung in seiner Stimme deutlich hören, aber auch die Besorgnis, die in seiner Frage mitschwang.
»Unterwegs zum Haus. Wir sind fast da.«
»Dreht sofort um, und fahrt wieder auf die Hauptstraße.«
Die Schüsse kamen aus dem Nichts, ein mörderischer Hagel aus einer automatischen Waffe; sie durchschlugen die Karosserie und ließen zwei Fenster bersten. Eine Kugel schien in Tinas Ohr zu explodieren, und plötzlich schoss ihr ein Blutstrahl ins Gesicht. Der Cop neben ihr, der sich gerade noch freundlich mit ihr unterhalten hatte, kippte ihr tot in den Schoß, und zwischen ihre Beine ergoss sich ein weiterer Blutschwall aus der Austrittswunde an seiner Schläfe. Gleichzeitig sackte der Fahrer über dem Lenkrad zusammen, seine Hände rutschten ab, und der Wagen steuerte nach links.
Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte Tina, sie selbst sei ebenfalls getroffen worden, aber da sie keinen Schmerz spürte und auch nicht die plötzliche Schwäche, die sich bei einer Schusswunde einstellte, fühlte sie sich unverwundet. Mike hatte aufgehört zu reden, und erst da merkte sie, dass sie ihr Handy nicht mehr in der Hand hielt. Es war ihr aus der Hand
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