Bedrohung
hundertsechzig Kilo schwere Ansammlung von Biomasse auch »Der Panzer«. Sein Kopf ist so klein, dass er aussieht, als wäre er fachmännisch geschrumpft worden. Zum Ausgleich besitzt er ein Paar Hände, mit denen er Babys zermalmen könnte und es wahrscheinlich auch tut. Über seine gewaltige Körperkraft kursiert das Gerücht, er sei der einzige Mann in der gesamten Strafvollzugsgeschichte Großbritanniens, der eine Zwangsjacke zerfetzt habe, wobei mich dabei mehr überrascht, dass sie eine gefunden haben, in die er hineinpasste. Sein Bauch zumindest sieht aus wie ein Endlager für Kanonenkugeln.
Rechts von mir steht Johann »Stiletto« Bennett, der seinen Namen seiner Gewohnheit verdankt, unwilligen Schuldnern die Finger abzusäbeln, während »Panzer« sie ihm festhält. Im Augenblick reicht ein Finger pro Tag, bis auch der letzte Penny beglichen ist. Wie ihr euch vorstellen könnt, hat Stiletto dank seiner schnittigen Art eine beneidenswerte Erfolgsquote – nur ein Mal wurde eine Schuld nicht binnen vierundzwanzig Stunden nach seinem Auftritt beglichen. Aber dieser Schuldner war so pleite, dass sie sich sogar seine Zehen vornehmen mussten, ehe er schließlich mit der Kohle rüberkam. Der Typ war ein süchtiger Zocker, und ich sehe ihn heute noch ab und zu durch die Gegend humpeln, auch wenn er, soweit ich weiß, nicht mehr so viel pokert wie früher.
Poker ist auch der Grund für Kevins Absturz. Das und die Tatsache, dass er gegen Jim The Crim gespielt hat, einen Mann, dessen Verständnis von Fairplay zu wünschen übrig lässt. Im Waffen- und Kreditgeschäft bringt man es nicht zum Multimillionär, indem man sich an die Spielregeln hält oder gar so etwas wie Mitgefühl entwickelt.
»Ist nicht mein Fehler«, fährt The Crim fort, »dass dein Vetter einfach abhaut, ohne mir die vierunddreißig Riesen zu zahlen, die er mir schuldet.«
»Dreiunddreißig, hast du gesagt.«
»Das war Montag, Billy. Heute haben wir Mittwoch. Ich muss auch die Zinsen berücksichtigen. Wir reden da über ’ne Menge Geld.«
»Aber ich weiß immer noch nicht, warum plötzlich ich und meine Familie dafür zuständig sein sollen«, sage ich. Ich finde, es ist an der Zeit, etwas bestimmter aufzutreten.
The Crim bleckt seine Zähne. Womöglich hält er es für ein Lächeln, das kann man bei ihm nie genau sagen.
»Eine Frage des Prinzips, Billy«, sagt er, räuspert sich und spuckt einen widerlichen Klumpen in einen tellergroßen Aschenbecher, der auf der Sessellehne steht. »Ich kann’s mir nicht leisten, jemanden mit so hohen Schulden vom Haken zu lassen. Das würde meinem Ansehen schaden. Und wie wahrscheinlich ist es, dass dein Vetter wieder auftaucht? Ich schätze, eher lernt Panzer hier das Drachenfliegen. Darum wird jemand anders dafür geradestehen müssen. Nämlich seine Mutter.«
Und deshalb, meine Freunde, bin ich hier. Freiwillig. Denn es geht um Tante Lena, die einzige Schwester meiner toten Mutter und die Frau, die sich seit dem zarten Alter von dreizehn um mich gekümmert hat. Und jetzt betrachtet The Crim sie als Schuldnerin, was ich – ein Mann von Ehre – nicht zulassen kann. Sie ist bereit, ihr Haus zu verkaufen, um ihren Sohn vor den Folgen seiner abgrundtiefen Dummheit zu bewahren. Ich habe ihr gesagt, sie solle die Sache mir überlassen, ich würde sehen, was ich tun könne, um die Lage zu entschärfen. Nur glaube ich so langsam, dass das nicht viel sein wird.
»Ich verstehe deine Haltung, Jim«, sage ich und versuche, vernünftig zu klingen. »Aber meine Tante hat ganz einfach nicht das Geld, um dich auszuzahlen. Jedoch«, füge ich eilig hinzu, »bin ich nicht mit leeren Händen gekommen. Ich habe fünf Riesen hier. Betrachte sie als Anzahlung. Und wenn ich Kevin aufgetrieben habe, was ich dir bei Gott verspreche, kriegst du die anderen achtundzwanzigtausend. Darauf hast du mein Wort.«
»Neunundzwanzig, meinst du. Und ich will die gesamte Summe jetzt.«
Der Trick in Situationen wie dieser ist, dass immer ein bisschen Spielraum zum Verhandeln bleibt. »Heute Nacht kann ich dir noch mal zehn bringen«, sage ich in der Hoffnung, ihn milde zu stimmen.
Klappt aber nicht.
»Ich glaub, du verstehst mich nicht richtig, Billy. Ich hab dir gesagt, was ich will, und wenn du es nicht hast, müssen wir sehen, ob wir bei deinem Tantchen mehr Glück haben.«
»Er ist in einer geilen Kiste vorgefahren, Mr. Sneddon«, meldet sich Stiletto. Seine Stimme ist ein heiseres Flüstern, als ob Wind durch Grabsteine
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