Bedrohung
mein Name ist Jones. Richard Burnham-Jones, um genau zu sein, aber den Namen Richard und seine Kurzformen Rick, Richie und besonders Dick hasse ich. Doppelnamen mochte ich auch nie, deshalb rief man mich immer Jones, was mir recht war. Ich bin auch kein schlechter Mensch, falls ich diesen Eindruck vermittelt haben sollte. Sie könnten vielleicht sagen, ich sei in schlechte Gesellschaft geraten, und damit hätten Sie unbedingt recht, wenn auch nicht aus den Gründen, die Sie vermuten.
Es war kalt, trotzdem spürte ich den Schweiß auf meiner Stirn. Ich wischte ihn mit dem Unterarm weg.
»Verdammt, was ist da hinten passiert, Jones?«, wollte Cecil wissen und fixierte mich dabei mit dem bohrenden Blick, für den er schon beim Militär gefürchtet war. »Du hättest es mir fast versaut.«
Wir beide kannten uns seit einer Ewigkeit. Wir waren zusammen im Kriegseinsatz gewesen, und das schafft ein Band zwischen Männern, das es sonst nicht gibt. Das hieß aber nicht, dass Cecil mir keine Angst einjagte. Ganz im Gegenteil. Er jagte allen, die seinen Weg kreuzten, Angst ein. Auch wenn er nur ein kleiner, kahlköpfiger Kerl war, war er doch schlank und drahtig und besaß eine intensive Energie, die in Wellen von ihm abzustrahlen schien. Sogar seine Stimme, sein harter Belfaster Slang, klang aggressiv. Zum Glück wusste ich, wie ich ihn anzupacken hatte.
»Hätte ich geschossen, während ich mit ihm gerungen habe, hätte ich weiß Gott wen treffen können, selbst dich«, entgegnete ich. »Das passiert nun mal, wenn man einen solchen Job zu zweit durchzieht. Da ist immer ein Risiko dabei.«
»Du wirst mir doch jetzt nicht zum Weichei, mein Großer?«
Cecil war es egal, dass er gerade jemanden erschossen hatte. Soweit es ihn betraf, hatten die anderen seine Befehle missachtet und dafür bezahlt. Kein Grund, sich den Kopf zu zerbrechen. So tickte er eben.
»Ich habe gerade einen Streifenwagen unter Feuer genommen, Cecil, also werde ich wohl nicht zum Weichei. Aber wir hätten ein größeres Team gebraucht. Das habe ich dir schon vorher gesagt. Ich dachte, du kennst Leute, die du für so was einsetzen kannst.«
»Das war nur ein Test, Jones. Um deine Loyalität zu prüfen.«
»Ich habe keinen Bock auf Tests. Du weißt, dass du auf mich zählen kannst. Wir haben immerhin einiges zusammen erlebt.«
Das hatten wir in der Tat. Darunter auch Dinge, die man besser nicht unter dem Teppich hervorkehrte. Etwa das, was auf dem Schlachtfeld in der Provinz Helmand passiert war.
Cecil schwieg einen Moment, dann nickte er. »Ich denke, es ist Zeit für ein neues Level«, sagte er, während er eine Parklücke ansteuerte. »Aber zuerst muss ich kurz mal mit jemandem telefonieren.«
Wir befanden uns vor einer heruntergekommenen Ladenzeile, und ich sah Cecil nach, wie er eine Gruppe schäbig aussehender Alkis passierte, die auf einer Bank saßen und in einer Sprache, die nach Polnisch klang, herumgrölten. Einer von ihnen versuchte gerade aufzustehen, kippte aber zum Ergötzen seiner Saufkumpane seitlich weg und knallte gegen eine Mülltonne, ehe er über den Bordstein auf die Straße rollte. Immerhin schaffte er es irgendwie, nichts von seinem Fusel zu verschütten. Eine junge Frau im Business-Kostüm musste ihm ausweichen; sie machte einen großen Bogen um ihn und eilte mit gesenktem Kopf vorbei.
Nein, es gibt keine edlen Motive. Selbst wenn du für etwas kämpfst, woran du glaubst, werden immer auch Unschuldige sterben, und selbst wenn du dein gesetztes Ziel erreichst, wird es ein schaler Triumph bleiben, weil am Ende alles seinen Preis hat.
Cecil kam zum Wagen zurück, warf den Betrunkenen einen kurzen, harten Blick zu, der sie kurzfristig verstummen ließ, und stieg wieder ein.
»Da ist jemand, der dich kennenlernen möchte.«
Und da wusste ich, dass ich im Spiel war.
11
10:26
Der Mann, der gerade mit Cecil telefoniert hatte, hatte seinen Wagen an einem Waldrand geparkt, der an einen Golfplatz innerhalb des M25-Rings grenzte. Er hatte ein iPad auf dem Schoß und verfolgte die Sky News, die immer noch hektisch über den Anschlag berichteten. Eindeutige Fakten waren allerdings Mangelware, der Sender behalf sich mit Augenzeugenberichten und zeigte die Bilder, die der Sky-Hubschrauber vom Schauplatz übertrug. Das Feuer im Café war mittlerweile gelöscht, doch in den Straßen drängten sich nach wie vor Kranken- und Streifenwagen. Auf dem Ticker am unteren Bildschirmrand wurde die Zahl der Toten mit bislang sechs angegeben,
Weitere Kostenlose Bücher