Bedrohung
dazu kamen mehr als dreißig Verletzte. Weitere Todesopfer wurden jedoch erwartet. Zudem gab es unbestätigte Gerüchte, dass eine bislang unbekannte Terrororganisation die Verantwortung für den Anschlag übernommen hatte und dass der Attentäter, nachdem er die Bombe deponiert hatte, geflüchtet war, inzwischen aber gefasst wurde.
Dieses letzte Gerücht beschäftigte den Mann. Sie hatten Akhtar Mohammed benutzt, damit der Anschlag islamischen Fundamentalisten in die Schuhe geschoben werden konnte. Wenn herauskam, dass man ihn erpresst hatte, wäre der Plan gescheitert. Schlimmer noch, Mohammed wäre in der Lage, Martha Crossman als das eigentliche Ziel des Attentats zu identifizieren.
Doch im Augenblick konnte er nichts dagegen unternehmen. Er blieb gelassen sitzen, behielt das iPad im Blick und wartete auf das Zeichen, um die nächste Phase einzuleiten.
Das denn auch fünf Minuten später kam: Die Moderatorin unterbrach ihr Interview mit dem Sicherheitsexperten von Sky, um weitere Eilnachrichten zu verkünden. Zuschauer hatten den Sender über ein massives Polizeiaufgebot informiert, das einen Wohnblock in Bayswater, nur wenige Kilometer vom Schauplatz der Explosion entfernt, umstellt und begonnen hatte, die Umgebung zu evakuieren. Kurz darauf erklärte der Sicherheitsexperte, Scotland Yard habe bestätigt, dass dort eine Polizeiaktion stattfand.
Das moderne Leben zeigte doch erstaunliche Phänomene, dachte der Mann. Die Geschwindigkeit, mit der Nachrichten sich verbreiteten, erreichte mittlerweile fast Echtzeit. Das hatte zahlreiche Vorteile. Es bedeutete, dass der Bürger in der Regel gut informiert war. Diktaturen konnten nicht mehr so einfach ihre schmutzigen Geheimnisse bewahren. Unglücklicherweise bedeutete es auch, dass die »bösen Jungs« die Aktionen der Sicherheitsbehörden minutiös beobachteten.
Sky News hatte inzwischen wieder zum Helikopter umgeschaltet, der über dem Wohnblock kreiste, in dem er vor wenigen Stunden Mika erschossen und ihre Leiche mit einem Sprengsatz versehen hatte. Dutzende schwarz uniformierter Polizisten krochen wie Ameisen am Eingang des Gebäudes herum, während ihre Kollegen im Innern die umliegenden Wohnungen räumten. Ganz offensichtlich hatten sie plangemäß das Handy geortet, das er benutzt hatte, um die Verantwortung für den Anschlag zu übernehmen. Natürlich waren sie nicht so unvorsichtig, die Wohnung einfach zu stürmen, wenngleich er eine ganze Reihe CO19-Mitglieder ausmachen konnte, die gut an ihren Heckler-&-Koch-Maschinenpistolen zu erkennen waren. Doch zunächst mussten sie die Umgebung absichern, die Zivilisten evakuieren und mindestens hundert Meter entfernt in Sicherheit bringen, ehe sie eine Risikoeinschätzung machen und vielleicht beschließen konnten, in die Wohnung einzudringen, in der die tote Frau und das Handy lagen. Das Ganze würde Stunden dauern. Der Mann lächelte. Er wusste genau, wie der Einsatz ablaufen würde, deshalb befand sich eine zweite Bombe im Kofferraum eines der Wagen, die auf dem Parkplatz direkt vor dem Gebäude abgestellt waren. Sie bestand aus zwanzig Kilo PETN -Sprengstoff, der auf zwei große Taschen verteilt war, um die herum weitere zwanzig Kilogramm Metallteile lagen. Wie die Rucksackbombe, die er auf Mika deponiert hatte, würde sie in exakt zwei Minuten explodieren.
Bis jetzt schien niemand Notiz von den geparkten Wagen zu nehmen, obwohl die kommandierenden Beamten sie sehr bald kontrollieren lassen würden. Wahrscheinlich hatten sie sogar schon den Mobilfunkverkehr rund um das Gebäude blockiert, um die Fernzündung einer möglichen weiteren Bombe zu verhindern. Diese Taktik war praktisch zum Markenzeichen islamistischer Terroristen geworden. Doch im Augenblick befand sich die Aktion am Boden noch in ihrem halb chaotischen Anfangsstadium.
Der Mann sah auf die Uhr. Noch eine Minute bis zur Explosion.
Er holte ein Billig-Handy aus der Außentasche seines Jacketts und drückte die Schnellwahl der einzigen Nummer, die darauf gespeichert war.
»Hier spricht das Islamische Kommando«, erklärte er über den Stimmenverzerrer, als der Mann in der Redaktion des Evening Standard abnahm. »Gleich werden zwei weitere Bomben explodieren. Nur wenn man unsere Forderungen erfüllt, gibt es keine weiteren Explosionen.«
Er legte auf, schaltete das Handy aus und warf es aus dem Fenster ins Gebüsch.
Der Sky-Helikopter übertrug nach wie vor die Bilder des Einsatzes, als es inmitten der geparkten Wagen grell aufblitzte und dann
Weitere Kostenlose Bücher