Bedrohung
hinten verschoben, blieb jedoch so stehen, dass der Lexus nicht vorbeikam.
Weil er mit dem Wagen nicht mehr fliehen konnte, stieß Brozi die Tür auf, sprang heraus und wollte über die Straße entkommen. Er lief auf den Bürgersteig und suchte Schutz hinter den geparkten Autos. Dabei fuchtelte er mit der Pistole herum.
Der Lexus versperrte Tina die Sicht, und so konnte sie nicht erkennen, ob es sich bei dem Streifenwagen um eine bewaffnete Einheit handelte. Sie wartete nicht darauf, dass man es ihr mitteilte, sondern sprang ebenfalls heraus und rannte auf der anderen Straßenseite hinter Brozi her. Sie war um einiges fitter als er. Nach wenigen Augenblicken hatte sie ihn fast eingeholt.
Er fuchtelte wieder mit der Pistole, machte aber keine Anstalten zu feuern. Vielleicht hoffte er noch, er könne ihr davonlaufen, obwohl er bereits schwer keuchte und aussah, als würde er jeden Moment zusammenklappen.
Tina verließ sich voll und ganz auf ihren Instinkt, andernfalls hätte sie das, was sie nun tat, nie gewagt: Sie lief geduckt etwas voraus, sprintete aus der Deckung der geparkten Autos über die Straße, sprang auf die Motorhaube eines Wagens auf Brozis Seite und hechtete auf ihn. Der verblüffte Brozi wurde von der Wucht des Aufpralls zu Boden gerissen und verlor seine Pistole, die klackernd über das Pflaster schlitterte und unter einem Auto liegen blieb. Tina stützte sich ab, bis sie rittlings auf seiner Brust saß, und presste mit den Knien seine Arme nieder. Brozi versuchte, sich herauszuwinden, doch als er in Tinas Gesicht blickte, weiteten sich seine Augen vor Schreck.
Sie schlug ihm mit aller Kraft drei-, vier-, fünfmal hintereinander ins Gesicht, ignorierte das Blut, das schon nach dem ersten Schlag aus seiner Nase schoss, und dass er spätestens nach dem zweiten keine Gegenwehr mehr leistete. Sie hätte weiter auf ihn eingedroschen, doch ihr Arm wurde von hinten gepackt und zurückgerissen. Als sie sich umdrehte, erkannte sie Bolt, der sie herunterzerrte.
»Lass gut sein, Tina, sonst bist du selbst wegen Körperverletzung dran.«
Hinter Bolt sah sie zwei uniformierte, aber unbewaffnete Polizisten, die eher gemächlich herbeijoggten und von denen keiner aussah, als würde er sich gerne mit einem bewaffneten Killer anlegen. Trotzdem nickte sie und drehte sich zu dem Mann, der vorhin versucht hatte, sie zu töten.
»Jetmir Brozi, ich verhafte Sie wegen versuchten Mordes an einem Polizeibeamten.«
Bolt trat neben sie, und gemeinsam hievten sie den Albaner auf die Beine.
26
15:15
Fox verfolgte in seiner Zelle die Ereignisse auf Sky News. Gerade wurde berichtet, dass die Redaktion einen Anruf des Sprechers des Islamischen Kommandos erhalten hatte, das die Verantwortung für die Anschläge übernahm. Der Anrufer hatte seine Warnung wiederholt, ein drittes, noch verheerenderes Attentat stünde bevor, falls die Regierung nicht die Forderungen des Kommandos erfüllte.
Die Moderatorin diskutierte nun die möglichen Konsequenzen dieser Ansage mit einem der Reporter, der sich vor Downing Street 10 aufgebaut hatte. Ein Ticker am unteren Bildrand vermeldete die jüngsten Opferzahlen: siebzehn Tote, darunter vier Polizisten sowie ein Zivilist, die beim zweiten Anschlag ums Leben gekommen waren. Insgesamt waren achtundsechzig Verletzte zu beklagen. Ein zusätzliches Breaking-News-Fenster kündigte für 15:30 eine Pressekonferenz in der Downing Street an.
Die Nachrichten erinnerten Fox an das Chaos, das er und die anderen Terroristen vor fünfzehn Monaten über London gebracht hatten. Damals hatte er sich als König der Welt gefühlt, als allmächtiger Herr über Leben und Tod, der es genoss, dass die Augen der Welt auf ihn gerichtet waren.
Doch nun saß er wie ein Tier im Käfig in einer beschissenen kleinen Zelle mit grasgrünen Wänden, und seine berüchtigten »fünfzehn Minuten« waren ein verblassender Traum aus einem anderen Leben.
Seufzend stand er auf und verließ seine Zelle. Vorhin erst hatte er den Direktor gebeten, seine Einzelhaft aufzuheben, und überraschenderweise hatte der seinen Antrag genehmigt. In seinem Trakt waren mittlerweile die Freistunden angebrochen, deshalb konnte er sich die nächsten zwei Stunden frei bewegen. Der Direktor fand Gefallen an der Vorstellung, dass seine Insassen sich untereinander austauschten. Er glaubte, das Beisammensein dämpfe ihre Aggressivität, und Fox musste zugeben, dass er recht hatte und die Gegenwart anderer Häftlinge dem Eingesperrtsein in der
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