Bedrohung
durchquerte das Zimmer. Von ihrer Position aus war es unmöglich festzustellen, ob der Bildschirmschoner sich mittlerweile eingeschaltet hatte oder nicht.
Nun beendete Brozi das Telefonat. Tinas Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Sie konnte ihren Herzschlag hören, ein Stakkato, so laut, dass sie glaubte, Brozi müsste es ebenfalls hören. Er war stehen geblieben, blickte Richtung PC und steckte dabei gemächlich das Handy ein. Dann drehte er sich um und verließ in aller Ruhe das Zimmer. Kurz darauf hörte Tina, wie er die Treppe hinunterging.
Tina wartete ab und überlegte fieberhaft, was sie tun sollte. Sie konnte nicht ewig hier drinbleiben. Früher oder später würde Brozi sich umziehen oder etwas hineinhängen. Vielleicht wollte er aber gleich wieder los, dann wäre sie natürlich gerettet. Falls nicht, müsste sie sich an ihm vorbei nach draußen schleichen.
Wieder knackte die Treppenstufe. Er kam zurück, doch diesmal, so schien es, langsamer, vorsichtiger.
Sie starrte durch das Schlüsselloch und versuchte sich nicht zu bewegen.
Brozi trat ein, und diesmal hatte er die Pistole in der Hand.
Und sah genau in ihre Richtung.
Tina hielt den Atem an.
Brozi sah sich im Zimmer um und ging langsam auf den Schrank zu.
Tina lehnte sich zurück, ballte abwehrbereit die Fäuste. In ihrer Hosentasche fing ihr Handy an zu vibrieren, aber die Frage, wer auch immer das wohl sein mochte, spielte keine Rolle mehr. Sie war auf sich allein gestellt, keiner ihrer Kollegen würde ihr zu Hilfe eilen können.
Er stand jetzt direkt vor dem Schrank, Tina hörte seinen leicht gepressten Atem. Jeden Moment würde er die Tür öffnen, einen Schritt zurückgehen, um sich aus der Reichweite einer Gegenattacke zu bringen, und die Waffe auf sie richten. Auf sie, die wehr- und hilflos am Boden kauerte.
Mit einem Satz durchbrach sie das Holz der Schranktüren, sprang ihn direkt an und versuchte, ihm die Pistole zu entreißen.
Völlig überrascht stolperte Brozi rückwärts. Tina riss sein Handgelenk nach oben, und die Pistole ging mit einem ohrenbetäubendem Knall los. Während die Kugel in die Decke einschlug, landeten sie beide aneinandergekrallt auf dem ungemachten Doppelbett. Tina obenauf. Brozi hob den Kopf, knurrte und fletschte seine nikotingelben Zähne. Tina verpasste ihm einen Kopfstoß auf die Nasenwurzel, der ihn wieder in die Kissen warf.
Aber er war kräftig. Mit einem Wutschrei rollte er sich herum und stieß Tina von sich. Mit der Pistole fuchtelnd versuchte er, sie ins Visier zu nehmen. Tina hielt seinen Arm fest, ließ sich aber vom Bett stoßen. Sie landete auf den Füßen und zerrte Brozi mit hinunter. Er spuckte ihr ins Gesicht und versuchte ebenfalls, einen Kopfstoß anzubringen, doch Tina duckte sich und rammte ihm das Knie in den Unterleib.
Brozi schrie auf und lockerte seinen Griff. Tina versetzte ihm einen heftigen Stoß, der ihn nach hinten warf, und rannte zur Tür. Zwei Stufen auf einmal nehmend, eilte sie die Treppe hinab, so schnell, dass sie fast ins Stolpern geriet.
Als sie den ersten Stock erreicht hatte, hörte sie, wie oben die Schlafzimmertür aufflog, und kurz darauf Brozis Schritte auf der Treppe. Doch da war sie schon auf dem letzten Absatz, und die Haustür und dahinter die Freiheit waren nur noch wenige Meter entfernt. Sie erreichte die Tür, wollte sie aufreißen, sah, dass er die Kette vorgelegt hatte, schlug die Tür wieder zu, entriegelte die Kette, wollte die Tür erneut öffnen …
»Hände hoch oder ich schieße!« Sein Akzent war heftig, wohl noch betont durch den unüberhörbaren Zorn in seiner Stimme.
Tina wusste nicht, ob er bluffte, entschied sich aber im Bruchteil einer Sekunde, es zu riskieren. Sie riss die Tür auf, tauchte nach draußen ab und ließ sich die Stufen hinunterrollen. Dabei machte sie sich, um kein Ziel abzugeben, so klein wie möglich, robbte das kurze Stück zum Gartentor. Als sie merkte, dass Brozi noch immer keinen Schuss abgefeuert hatte, spannte sie ihre Muskeln an und hechtete hinüber.
Bolt rannte ihr bereits mit gezückter Dienstmarke entgegen, sein Gesicht war vor Anspannung verzerrt.
»Bist du okay?«, schrie er und packte sie am Arm.
»Ja, mir geht’s gut. Lass uns abhauen, er ist bewaffnet.«
Doch da kam Jetmir Brozi bereits mit erhobener Waffe die Treppe heruntergestürmt.
»Verdammte Scheiße, wer seid ihr?«, brüllte er.
Tina und Bolt traten den Rückzug an, in verschiedene Richtungen, versuchten möglichst viel Raum zwischen
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