Bedrohung
Mehr nicht.«
Ich hatte Maddie seit fast zwei Wochen nicht mehr gesehen, und ich wäre nicht wieder gegangen, ohne einen Blick auf sie geworfen zu haben.
Gina seufzte. »Okay, aber ich sage dir, wenn du sie aufweckst …«
»Werde ich nicht. Versprochen.«
Ich stieg die schmale Treppe hinauf, erinnerte mich an die Zeit, als dies hier mein Heim war. Vor fast zehn Jahren hatten wir das Haus zusammen gekauft. Es machte nicht viel her, auch die Gegend war nicht die beste, aber eigentlich überwogen die guten Erinnerungen, was das Ganze, um ehrlich zu sein, nur noch verschlimmerte.
Maddie schlief tief und fest, sie lag auf der Bettdecke, trug Jeans und das Dora-the-Explorer -Shirt, das ich ihr am Tag meiner Entlassung gekauft hatte. Eine kleine Lampe in der Ecke erleuchtete schwach das Zimmer. Ich konnte die Poster an der Wand erkennen und die Spielsachen, die auf dem Boden herumlagen.
Ich näherte mich dem Bett und betrachtete meine Tochter. Sanft strich ich ihr eine blonde Strähne aus der Stirn und berührte mit dem Finger ihre Wange. Fragte mich, was die Zukunft für dieses vierjährige Mädchen bereithielt. Würde sie wirklich eine Fremde im eigenen Land werden, wie Cain prophezeit hatte, oder würde sie große Ziele erreichen? Ärztin werden? Architektin? Mir war es offen gestanden egal, solange sie nur glücklich wurde. Und solange sie sich nicht für ihren Vater schämte. Weshalb es so wichtig war, dass sie nie erfuhr, was ich heute getan hatte.
Ich formte mit den Lippen die Worte »Ich liebe dich« und küsste sie leicht auf die Stirn. Halb hoffte ich, dass sie sich rekeln und mich verschlafen anlächeln würde, wie sie es als Baby getan hatte, damit wir ein bisschen reden konnten, ehe sie wieder einschlief.
Doch sie rührte sich nicht, und so ging ich widerstrebend zurück nach unten.
»Du hast sie nicht geweckt, oder?«, fragte Gina. Sie verfolgte immer noch die Nachrichten. Der Premierminister war einer Luftaufnahme der Sozialbauten in Bayswater gewichen. Die Zahl der Todesopfer, die die Bomben dort gefordert hatten, lag inzwischen bei fünf Polizisten und einem Zivilisten.
»Mach dir keine Gedanken, sie schläft tief und fest. Selbst ein Rudel Löwen würde sie nicht wecken.«
»Okay.« Sie lächelte mich schief an. »Und danke für das Geld, Jones. Wir können es brauchen.«
»Hör mal«, sagte ich in einem plötzlichen Anflug von Hoffnung. »Hast du Lust, die Tage mal abends mit mir essen zu gehen? In einem hübschen Restaurant? Und du nimmst dir einen Babysitter?«
Das Lächeln verschwand, und sie sah mich finster an.
»Ich glaube, das ist keine so gute Idee.«
Sie schien noch etwas hinzufügen zu wollen, hielt dann aber inne. Ich erinnerte mich an einen Satz, den sie mir während eines ihrer seltenen Besuche im Gefängnis gesagt hatte: Wenn das Licht ausgegangen ist, geht es nicht wieder an.
»Schon klar«, sagte ich und wandte mich zum Gehen, als mich ein ungewohnter Klingelton in meiner Hosentasche zusammenzucken ließ.
Das Telefon, das Cain mir gegeben hatte.
»Wo steckst du?«, fragte Cecil, als ich die Haustür hinter mir zumachte. Er klang erregt.
»Meine Tochter besuchen.«
»Bleib, wo du bist. Ich bin in fünf Minuten bei dir.«
»Was steht an?«
»Das Treffen, von dem Cain gesprochen hat. Es ist so weit. Jetzt gleich.«
Ehe ich Gelegenheit hatte, etwas zu erwidern, legte er auf. Ich fragte mich, wie er nur fünf Minuten entfernt sein konnte. Er musste mir gefolgt sein.
Ich steckte das Handy wieder ein und machte wegen der Kälte die Jacke zu. Ich überlegte kurz, Mike Bolt anzurufen, aber etwas hielt mich davon ab. Ich kann nicht genau sagen, was. Vielleicht der reine Instinkt.
Was auch immer es war, es war eine der besten Entscheidungen meines Lebens.
29
16:10
Tina stand an der Haustür von Brozis Haus, rauchte eine Zigarette und stampfte ab und zu mit den Füßen, um die Kälte zu bekämpfen.
Inzwischen waren zwei Dutzend Uniformierte am Schauplatz erschienen, die auf Einsatzbefehle warteten, während ihre Streifenwagen beide Seiten der Straße blockierten. Brozis Lexus und der Land Rover Freelander, den Bolt gefahren hatte, standen weiterhin exakt so da, wie sie ineinandergekracht waren. Der Fotograf, der die Szenerie dokumentieren sollte, war noch nicht eingetroffen, ebenso wenig wie jemand vom CTC oder dem CID Islington. Tina fragte sich, ob sie einen der Jungs aus Islington kannte. Wie immer hatte sie sich nicht gerade bemüht, den Kontakt zu den alten Kollegen
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