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Bedrohung

Bedrohung

Titel: Bedrohung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Kernick
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zu halten. Wenn sie eine neue Stelle antrat, neigte sie dazu, die Vergangenheit komplett hinter sich zu lassen, als wäre sie etwas, das man am liebsten auslöschte.
    Sie drehte sich aus dem Wind und fand ihre Spiegelung in der Scheibe von Brozis Fenster. Sie war schlanker als noch vor einiger Zeit, eine Folge ihrer obsessiven Besuche im Fitnessstudio. Nach dem Stanhope-Anschlag wollte sie ihr Äußeres verändern. Um sich möglichst nicht mehr an das Foto zu erinnern, das danach in allen Medien kursierte, hatte sie sich wie schon vor ein paar Jahren die Haare ganz kurz schneiden und tiefschwarz färben lassen. Eigentlich mochte sie diesen Look gar nicht mehr, doch inzwischen hatte sie sich daran gewöhnt. Sie sah immer noch attraktiv aus, aber die neue Frisur unterstrich eine Härte, die von Jahr zu Jahr zuzunehmen schien. Als zeigten sich darin all die Schrecken, die sie im Laufe der Zeit durchlebt hatte. Und weiß Gott, das waren einige gewesen.
    Als sie gerade begann, sich selbst zu bemitleiden, schoss ihr ein Gedanke durch den Kopf, der sie wieder in die Gegenwart zurückholte. Als Brozi sie und Bolt auf der Straße bedroht hatte, war ihr ein Handy aufgefallen, das aus seiner Brusttasche ragte. Bei seiner Verhaftung war es nicht mehr dort gewesen. Sie hatte aber auch nicht gesehen, dass er es irgendwo weggeworfen hatte, was er problemlos hätte tun können, während er vor ihnen weglief.
    Sie trat ihre Zigarette aus und rief Bolt an, der jedoch nicht abnahm. Angesichts der Umstände war das keine große Überraschung, deshalb hinterließ sie ihm eine Nachricht. Dann ging sie zurück zu der Stelle, an der sie ihn zu Boden gerungen hatte, die durch einen kleinen Blutflecken zu erkennen war. Einen Moment lang fragte sie sich, ob Brozi versuchen würde, sie wegen Körperverletzung anzuzeigen.
    Wenn er das Handy auf der Flucht weggeworfen hatte, musste es hier irgendwo liegen. Er hatte die Pistole die ganze Zeit über in der linken Hand gehalten, das hieß, er hätte das Handy mit der rechten weggeworfen, und dann wäre es wahrscheinlich unter einem der parkenden Wagen gelandet. Sie ging in die Knie und schaute unter dem ersten nach. Da sie nichts entdecken konnte, hüpfte sie zum nächsten und übernächsten und vollzog langsam Brozis Fluchtweg nach. Immerhin hatte sie etwas zu tun, auch wenn es ziemlich banal wirkte.
    Mehrere Minuten lang inspizierte sie die Reihe der Autos, ehe sie bemerkte, dass ein paar Streifenpolizisten zu ihr herüberschauten. Einer sagte etwas, und die anderen brachen in Gelächter aus. Als sie zu ihnen hinüberschaute, wandten sie sich schnell ab. Sie ignorierte die Kerle und setzte ihre Suche fort, bis sie fast auf Höhe von Bolts Freelander war und die Hoffnung zu verlieren begann.
    Doch dann fand sie es. Ein neu wirkendes schwarzes iPhone, das genauso aussah wie das, das Brozi in seinem Schlafzimmer benutzt hatte. Es lag vielleicht dreißig Zentimeter von Randstein entfernt unter einem Kleintransporter auf dem Pflaster. Nicht gerade ein perfektes Versteck, aber man musste Brozi zugutehalten, dass er es eilig gehabt hatte.
    Mit einem Gefühl der Genugtuung hob sie es auf und schaltete es ein. Es war – wie häufig bei Kriminellen, die ständig neue Handys benutzten – nicht durch ein Passwort gesichert. Brozi besaß es eindeutig noch nicht lange, denn im Verzeichnis fanden sich lediglich sechs Anrufe. Alle waren in den vergangenen vier Tagen an verschiedene Mobilnummern gegangen. Das letzte Gespräch war das, das Brozi von seinem Schlafzimmer aus geführt hatte. Da hatte er Englisch gesprochen, und obwohl Tina nicht hatte hören können, worum es ging, beschlich sie das Gefühl, dass der Anruf wichtig war. Sie checkte das E-Mail-Verzeichnis, fand aber nichts. Sie wollte das Handy gerade wegstecken, da fiel ihr ein, die Foto-Dateien zu überprüfen.
    Dort gab es zwei unscharfe Bilder von einem Mann, der eben ein Haus verließ. Es waren nicht die besten Fotos, aber Tinas Herz machte dennoch einen Sprung, denn sie hatte ihn sofort erkannt. Es war der Mann, der vor ein paar Stunden vor einen Lastwagen gelaufen war.
    Der Terrorist, der die Bombe im Café deponiert hatte.

30
    16:25
    Tina starrte immer noch auf das Foto des Bombenlegers, als ihr eigenes Handy klingelte. Es war Mike Bolt.
    Schnell erklärte sie ihm, was sie gefunden hatte.
    »Und du bist völlig sicher, dass er es ist?«
    »Dieses Gesicht werde ich mein Leben lang nicht vergessen«, entgegnete sie und bekam plötzlich das

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